Diese Steuerreform ist gleich doppelt revolutionär!
Was ein übergeschnappter Fischer aus Italien mit den Steuerplänen unserer Regierung zu tun hat.
Neapel 1647. Beiläufig 150 Jahre vor der Französischen Revolution ereignet sich unter der südlichen Sonne Italiens die Mutter aller Revolutionen – der Masaniello-Aufstand. Aus Wut über die Erhöhung der Obststeuer kommt es auf dem Markt zu einer gewaltsamen Erhebung des hungernden Volkes, an dessen Spitze sich der Fischer Masaniello setzt.
Er schafft die umstrittene Steuer ab, gibt sämtliche Lebensmittellager zur Plünderung frei, vertreibt den spanischen Vizekönig, der bis dahin über die Stadt geherrscht hatte, und verhängt eine nicht zu knappe Anzahl an Todesurteilen. Nach zehn Tagen ereilt Masaniello das Schicksal, das nach ihm noch vielen Revolutionären blühen wird – er schnappt über und wird liquidiert. Danach dauert es nicht mehr lange und die spanische Herrschaft sitzt in Neapel wieder fest im Sattel.
So gesehen ist der Masaniello-Aufstand eine klassische Revolution: Am Ende ist alles wieder genauso wie davor. Denn Revolution bedeutet im ursprünglichen Wortsinn nicht den Umsturz der Verhältnisse, sondern die Wiederkehr des Immergleichen. Beispielsweise nannte Nikolaus Kopernikus die von ihm in einem revolutionären wissenschaftlichen Akt beschriebene Rundbewegung der Planeten um die Sonne eine „revolutio“. Weil am Ende jeder dieser Bewegungen stehen die Gestirne wieder exakt an ihrem Ausgangspunkt.
Dies ist insofern interessant, als es bei der Einschätzung der jüngsten Steuerreformpläne der Regierung hilft. Es handelt sich dabei, wie aus dem eben Gesagten logisch hervorgeht, um eine wahrhaft revolutionäre Steuerreform. Und das gleich im doppelten Sinne.
Dadurch, dass die kalte Progression weiter besteht, wird die Steuerlast trotz ihrer nun verkündeten Senkung in wenigen Jahren wieder genau dort sein, wo sie jetzt ist. Dann folgt die nächste Steuerreform, deren Wirkung wiederum binnen weniger Jahre verpufft, und so weiter und so fort. Revolutionär!
Die zweite Rundbewegung ist folgende: Als Basis und Voraussetzung für ihre Steuersenkung verkündete die Regierung das Nulldefizit und einen Abbau der Schulden. Das hat Tradition. Immer wenn die ÖVP regiert, versucht sie, den Staatshaushalt zu sanieren. Die Wähler schauen sich das eine Zeit lang an, und wenn sie meinen, dass jetzt genug gespart wurde, wählen sie die SPÖ ins Kanzleramt.
Die SPÖ macht wieder Schulden, die Wähler schauen sich das eine Zeit lang an, und wenn sie meinen, dass jetzt genug Schulden gemacht wurden, wählen sie wieder einen ÖVP-Kanzler. Der spart, bis es wieder Zeit für die SPÖ ist, und so weiter und so fort.
Revolutionäre Erkenntnis: Unsere Politik dreht sich irgendwie im Kreis …