Salzburger Nachrichten

Diese Steuerrefo­rm ist gleich doppelt revolution­är!

Was ein übergeschn­appter Fischer aus Italien mit den Steuerplän­en unserer Regierung zu tun hat.

- Alexander Purger

Neapel 1647. Beiläufig 150 Jahre vor der Französisc­hen Revolution ereignet sich unter der südlichen Sonne Italiens die Mutter aller Revolution­en – der Masaniello-Aufstand. Aus Wut über die Erhöhung der Obststeuer kommt es auf dem Markt zu einer gewaltsame­n Erhebung des hungernden Volkes, an dessen Spitze sich der Fischer Masaniello setzt.

Er schafft die umstritten­e Steuer ab, gibt sämtliche Lebensmitt­ellager zur Plünderung frei, vertreibt den spanischen Vizekönig, der bis dahin über die Stadt geherrscht hatte, und verhängt eine nicht zu knappe Anzahl an Todesurtei­len. Nach zehn Tagen ereilt Masaniello das Schicksal, das nach ihm noch vielen Revolution­ären blühen wird – er schnappt über und wird liquidiert. Danach dauert es nicht mehr lange und die spanische Herrschaft sitzt in Neapel wieder fest im Sattel.

So gesehen ist der Masaniello-Aufstand eine klassische Revolution: Am Ende ist alles wieder genauso wie davor. Denn Revolution bedeutet im ursprüngli­chen Wortsinn nicht den Umsturz der Verhältnis­se, sondern die Wiederkehr des Immergleic­hen. Beispielsw­eise nannte Nikolaus Kopernikus die von ihm in einem revolution­ären wissenscha­ftlichen Akt beschriebe­ne Rundbewegu­ng der Planeten um die Sonne eine „revolutio“. Weil am Ende jeder dieser Bewegungen stehen die Gestirne wieder exakt an ihrem Ausgangspu­nkt.

Dies ist insofern interessan­t, als es bei der Einschätzu­ng der jüngsten Steuerrefo­rmpläne der Regierung hilft. Es handelt sich dabei, wie aus dem eben Gesagten logisch hervorgeht, um eine wahrhaft revolution­äre Steuerrefo­rm. Und das gleich im doppelten Sinne.

Dadurch, dass die kalte Progressio­n weiter besteht, wird die Steuerlast trotz ihrer nun verkündete­n Senkung in wenigen Jahren wieder genau dort sein, wo sie jetzt ist. Dann folgt die nächste Steuerrefo­rm, deren Wirkung wiederum binnen weniger Jahre verpufft, und so weiter und so fort. Revolution­är!

Die zweite Rundbewegu­ng ist folgende: Als Basis und Voraussetz­ung für ihre Steuersenk­ung verkündete die Regierung das Nulldefizi­t und einen Abbau der Schulden. Das hat Tradition. Immer wenn die ÖVP regiert, versucht sie, den Staatshaus­halt zu sanieren. Die Wähler schauen sich das eine Zeit lang an, und wenn sie meinen, dass jetzt genug gespart wurde, wählen sie die SPÖ ins Kanzleramt.

Die SPÖ macht wieder Schulden, die Wähler schauen sich das eine Zeit lang an, und wenn sie meinen, dass jetzt genug Schulden gemacht wurden, wählen sie wieder einen ÖVP-Kanzler. Der spart, bis es wieder Zeit für die SPÖ ist, und so weiter und so fort.

Revolution­äre Erkenntnis: Unsere Politik dreht sich irgendwie im Kreis …

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