USA begeben sich in gefährliche Gewässer
Ein Flugzeugträger der Vereinigten Staaten nimmt Kurs auf den Persischen Golf, um das iranische Regime in die Schranken zu weisen. Kündigt Teheran jetzt das Atomabkommen ebenfalls auf?
In ihrem Dauerkonflikt mit dem Iran haben die USA den Druck auf die Führung der Islamischen Republik weiter erhöht. Nach ihrer Absichtserklärung vom Donnerstag, die bereits erheblich geschrumpften Ölexporte des Landes auf „null zu bringen“, schickte Washington nun auch eine „unmissverständliche“militärische Botschaft in die iranische Hauptstadt. Der gegenwärtig noch im Mittelmeer kreuzende Flugzeugträger „USS Abraham Lincoln“wurde laut den Aussagen von US-Sicherheitsberater John Bolton aufgefordert, unverzüglich Kurs auf den Nahen Osten zu nehmen. Gemeint war wohl der Persische Golf, wo sich gegenwärtig kein amerikanischer Flugzeugträger befindet.
Auch eine zusätzliche amerikanische Bomberstaffel soll in die waffenstarrende Krisenregion verlegt werden. Die Aktionen seien eine Antwort auf „eine Reihe von beunruhigenden und eskalierenden Indizien und Warnungen“(der Iraner), sagte Bolton. Die USA wollten keinen Krieg mit dem Iran, seien aber darauf vorbereitet, auf jeden iranischen Angriff, sei es von den regulären Streitkräften, den Revolutionsgardisten oder Stellvertretern.
Ins Detail ging Bolton, der sich vor seiner Ernennung zum Nationalen Sicherheitsberater für einen „Regime Change“in Teheran eingesetzt hatte, nicht. Mitarbeiter des Weißen Hauses wiesen eher schwammig auf Indizien für einen möglichen iranischen Angriff auf US-Ziele auf See und an Land hin. Laut Berichten, die sich auf anonyme Quellen im Pentagon berufen, sind dagegen keine iranischen Attacken zu erwarten.
Iranische Revolutionsgardisten sowie hochrangige Politiker hatten in den vergangenen Monaten mehrfach damit gedroht, die den Persischen Golf mit dem Arabischen Meer verbindende Straße von Hormuz für den Tankerverkehr zu sperren. Falls man selbst kein Öl mehr exportieren könne, argumentierte Teheran, werde man auch dafür sorgen, dass andere Staaten ihr Öl nicht verkaufen könnten. Noch ist es allerdings nicht so weit. Die iranischen Rohölexporte sind sanktionsbedingt zwar von 2,5 Millionen auf rund eine Million Barrel (= Fass, je 159 Liter) am Tag gefallen. Die Schmerzgrenze, die den Iran veranlassen könnte, in der Meerenge, durch die ein Fünftel des global gehandelten Öls transportiert wird, aktiv zu werden, läge aber deutlich tiefer, mutmaßen westliche Diplomaten in Teheran.
Sie erwarten zunächst keine militärischen Schritte der Iraner, mit denen sich das Land wohl ins eigene Fleisch schneiden würde, sondern „einen politischen Paukenschlag“. Die Rede ist von einer iranischen Aufkündigung des Wiener Atomabkommens, aus dem die USA als wichtigste Garantiemacht am 8. Mai 2018 ausgestiegen waren. Man habe der Diplomatie, also den europäischen Befürwortern des Vertrags, ausreichend Zeit für dessen Rettung gegeben, sagte der iranische Vizeaußenminister Abbas Araghchi vorige Woche der Teheraner Tageszeitung „Etemad“.
Die Verschärfung der amerikanischen Ölsanktionen und die Machtlosigkeit der anderen Vertragspartner, etwas dagegen zu tun, hätten jedoch zu Hoffnungslosigkeit im Iran geführt. Das einst auch von der Regierung von US-Präsident Barack Obama als „historisch“gefeierte Abkommen, so Araghchi weiter, bewege sich daher rapide in Richtung Endpunkt.
Der Iran hatte sich in dem Wiener Abkommen verpflichtet, für mindestens ein Jahrzehnt wesentliche Teile seines Atomprogramms drastisch zu beschränken, um keine Atomwaffen bauen zu können. Im Gegenzug waren zunächst einige der Sanktionen gegen den Iran aufgehoben und eine Normalisierung der Wirtschaftsbeziehungen mit dem Westen in Aussicht gestellt worden.
Das radikale Veto der Amerikaner hat zu einer schweren Wirtschaftskrise im Iran geführt. Die Landeswährung Rial verlor mehr als 60 Prozent ihres Wertes gegenüber dem Dollar. Die Teuerungsrate könnte aufgrund der US-Sanktionen auf 40 Prozent steigen, prognostiziert der Internationale Währungsfonds (IWF). Zuletzt hatte Irans Regierung sogar eine Rationierung von Benzin angekündigt, diesen Entscheid nach massiven Protesten aber aufgeschoben.
„Wir reagieren auf angekündigte Eskalation von Irans Führung.“John Bolton, US-Sicherheitsberater