Bub hätte nicht so rasch operiert werden dürfen
Ein Jahr nach dem Tod des Buben liegt das erste Gerichtsgutachten vor. Die beschuldigten Ärzte hätten statt rascher OP beim nicht nüchternen Kind weitere Maßnahmen zur Blutstillung ergreifen müssen. Die SALK reagieren.
Im Fall des erschütternden Todes eines 17 Monate alten Buben im LKH Salzburg im April 2018 ist nun das erste von zwei Gerichtsgutachten, die die Staatsanwaltschaft in Auftrag gab, eingelangt. Wie berichtet war der kleine David am 16. April 2018 gegen 21 Uhr wegen eines aufgeplatzten wenige Millimeter kleinen warzenartigen Gebildes („Blutschwämmchen“) an der rechten Wange im LKH unter Narkose operiert worden. Obwohl er nicht nüchtern war.
Zur OP kam es nur 40 Minuten nachdem der Bub ins Spital gebracht worden war. Kurz nach Beendigung des wenige Minuten dauernden Eingriffs (Verödung des blutenden Gefäßes) atmete der Bub Erbrochenes ein. Der aspirierte Mageninhalt füllte Atemwege und Lunge, sein Hirn bekam kaum noch Sauerstoff. Dann lag David elf Tage im künstlichen Koma. Am 27. April 2018 wurde die mechanische Beatmung abgestellt. Diagnose: Hirntod.
Die Staatsanwaltschaft leitete gegen die zwei unmittelbar an der Operation beteiligten Oberärzte, einen Kinderchirurgen und einen Anästhesisten, Ermittlungen wegen Verdachts der grob fahrlässigen Tötung ein. Und gab ein kinderchirurgisches und ein anästhesiologisches Sachverständigengutachten in Auftrag. Wie Rechtsanwalt Stefan Rieder – er vertritt als Opferanwalt die Eltern des Buben – am Montag mitteilte, ist jetzt das kinderchirurgische Gutachten eingelangt.
Der Verfasser – der Klagenfurter Primar und Universitätsdozent Günter Fasching – belastet in seiner 14-seitigen Expertise den Kinderchirurgen schwer. Die bei dem kleinen Buben durchgeführte Operation, erklärt der Gutachter, sei definitiv „nicht so dringlich indiziert“gewesen, dass das Aspirationsrisiko bei nicht nüchternem Kind in Kauf genommen werden musste. Vielmehr hätten im Hinblick darauf, dass David noch am Abend gegessen habe, anstelle einer Operation „intensivere Bemühungen zur Blutstillung unter Zuhilfenahme von weiteren Methoden der Blutstillung angewandt werden müssen“. Tatsächlich, resümiert der Gutachter, „waren zum Zeitpunkt der Operation noch nicht alle Möglichkeiten der Blutstillung ausgeschöpft worden“.
Laut den Eltern hatte David am 16. April noch gegen 19 Uhr Kartoffelpüree, roten Rübensalat, Joghurt und einige Kekse zu sich genommen. Gegen 19.30 Uhr war dann beim Spielen zu Hause das Blutschwämmchen aufgeplatzt.
Primararzt Fasching stellt auch klar fest, dass man den Eingriff „bis zum Ende der NüchternFrist von sechs Stunden ohne größeren Blutverlust verschieben“hätte können. Die vorliegende Blutung, die „nicht sehr bedeutend“gewesen sei, wäre etwa bei „einer Kompressionsbehandlung über einen Zeitraum von zehn Minuten mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit zum Stillstand gekommen“. Fasching konkret: Durch zehnminütige „kontinuierliche Druckausübung mit den Fingerkuppen auf das kleine blutende Gefäß mit Hilfe eines Tupfers“wäre es „mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit zu einem Sistieren der Blutung gekommen“. Und hätte man, so der Gutachter, diese Methode in Kombination mit medikamentöser Unterstützung, etwa durch „mechanische blutstillende Mittel“, angewandt, so wäre die Blutung „bei Anwendung über einen Zeitraum von 30 Minuten mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zum Stillstand gebracht worden“.
Die Salzburger Landeskliniken (SALK) reagierten nach Erhalt des Gutachtens prompt. In einer Stellungnahme von Jürgen Koehler, dem Ärztlichen Direktor, heißt es: „Das unabhängige kinderchirurgische Gerichtsgutachten sieht in Teilbereichen Behandlungsfehler. Die zwei behandelnden Ärzte dürfen bis zum Abschluss des Gerichtsverfahrens nicht mehr in der Patientenversorgung arbeiten, sondern ihnen sind Verwaltungstätigkeiten vorbehalten.“Die endgültige Klärung der Verschuldensfrage, so Koehler, sei aber – ebenso wie die berufliche Zukunft der betroffenen Ärzte – vom Ausgang des Gerichtsprozesses abhängig.
Opferanwalt Rieder – er hatte zuvor schon mehrere die Ärzte belastende Privatgutachten eingeholt – sieht nun „auch durch das Gutachten der Staatsanwaltschaft bestätigt, dass hier eindeutig ein Fehler eines SALK-Arztes vorliegt. Aus meiner Sicht gibt es keinen Grund mehr, Schadenersatzzahlungen an die schwer traumatisierten Eltern Davids zurückzuhalten“. wid