Er will der erste Zyperntürke im Europaparlament werden
Die Kandidatur Niyazi Kızılyüreks ist auf Zypern umstritten: Die einen sehen ihn als Hoffnungsträger, andere als Verräter.
Niyazi Kızılyürek kandidiert am Sonntag auf der geteilten Insel Zypern für ein Mandat im Europäischen Parlament. Das Besondere: Kızılyürek wäre der erste Angehörige der türkischen Minderheit, der einen Sitz in Straßburg erobert. Der 59-jährige Politikprofessor sieht Europa als „Friedensprojekt“. Und er hofft, dass seine Wahl auch zum Frieden auf Zypern beitragen kann.
Kızılyürek kandidiert auf der Liste der marxistisch-leninistischen „Fortschrittlichen Partei des arbeitenden Volkes“(Akel). „Die Akel ist die einzige politische Partei im Inselsüden, die die türkische Volksgruppe als gleichberechtigte Mitbürger akzeptiert“, sagt Kızılyürek.
Zypern ist geteilt, seit die Türkei 1974 den Inselnorden militärisch besetzt hat, um einer Annektierung durch Griechenland zuvorzukommen. Die Rechtslage ist verzwickt: Die Republik Zypern trat zwar 2004 der EU bei, aber im türkisch kontrollierten Inselnorden bleibt das EU-Recht ausgesetzt. Die Angehörigen der türkisch-zyprischen Volksgruppe gelten jedoch als Staatsangehörige Zyperns. Sie sind bei der Europawahl wahlberechtigt. Für sie richten die Behörden im Süden an den Übergängen entlang der Demarkationslinie Wahllokale ein.
Bei der Europawahl 2014 machten zwar nur rund 2000 Zyperntürken von ihrem Wahlrecht Gebrauch. Diesmal könnten es aber deutlich mehr sein, vor allem wegen Kızılyüreks Kandidatur. Er ist ein leidenschaftlicher Befürworter einer Wiedervereinigung. Er pendelte im Wahlkampf fast täglich über die Demarkationslinie.
Kızılyürek wurde 1959 in Potamia südlich von Nikosia geboren, einem von Griechen und Türken gemeinsam bewohnten Dorf. „Die Menschen sprachen beide Sprachen und lebten friedlich miteinander“, erinnert er sich. Seit 1995 lehrt Kızılyürek als Professor für Türkei-Studien an der Universität Zypern im Süden. Anfangs wurde er von griechischen Nationalisten angefeindet.
Auch seine Kandidatur ist umstritten: Türkisch-zyprische Hardliner werfen ihm vor, er biedere sich bei den Inselgriechen an. Die griechisch-zyprische Regierungspolitikerin Eleni Stavrou Syrou sieht dagegen in Kızılyürek einen „Büttel Ankaras“. Der Streit zeigt, wie tief die Vorurteile auf beiden Seiten sitzen. Kızılyürek versichert: „Ich will für alle Zyprer sprechen!“
Fünf Sprachen beherrscht der Professor fließend. Seinen Landsleuten im Norden hat er allerdings versprochen, dass er seine Reden im Europaparlament auf Türkisch halten wird. Damit käme eine Frage auf die Tagesordnung, die schon beim Beitritt Zyperns 2004 diskutiert wurde: Soll die EU Türkisch als 25. Arbeitssprache einführen? Verwehren könnte man es den Zyprern im Grunde nicht, denn Türkisch ist neben Griechisch eine offizielle Amtssprache der Inselrepublik.
Beim Beitritt Zyperns wurde die Frage vertagt, vor allem wegen der Kosten: Eine Einführung des Türkischen würde die Sprachkombinationen in der EU von 552 auf 600 erhöhen. Mehrkosten für Übersetzer und Dolmetscher: fast 40 Millionen Euro im Jahr.