Salzburger Nachrichten

Österreich­s Sportstruk­tur steht ohne Sportminis­ter wieder einmal am Anfang

Aus dem Büro des Sportminis­teriums hieß es am Montag, dass man „funktionst­üchtig“sei. Nicht ganz klar ist aber, wer die Tagesgesch­äfte jetzt weiterführ­en darf. Es ist eine politische Entwicklun­g, die sich in Österreich oft wiederholt.

- RICHARD.OBERNDORFE­R@SN.AT

Und täglich grüßt das Murmeltier. In diesen Tagen wohl ein oft gebrauchte­s Zitat. Wobei „täglich“in diesem Fall nicht stimmt. 17 Monate war der nun zurückgetr­etene Vizekanzle­r und Sportminis­ter Heinz-Christian Strache in der Regierung für die Sportagend­en zuständig. Seine anfänglich­e Vorgehensw­eise erinnerte aber an seine Vorgänger: Große Ankündigun­gen, gepaart mit neuen Konzepten bei Förderunge­n und Sportstätt­en. Bei einer ersten Vorstellun­g der Pläne in einem Wiener Szeneresta­urant im September letzten Jahres meinte Strache noch, dass eine nachhaltig­e Sportstrat­egie in diesem Land fehle. Und man wolle das werden, was wir nicht seien: eine Sportnatio­n. Die stiefmütte­rliche Behandlung des Sports in Österreich müsse ein Ende haben, kündigte Strache an.

Müssen wir nun um den Status Sportnatio­n nach dem Abtritt des Sportminis­ters zittern? Mitnichten. Auch wenn jetzt das Projekt eines Nationalst­adions anstatt des maroden ErnstHappe­l-Stadions wieder am Anfang steht. Auch wenn die Entpolitis­ierung (ein wesentlich­er Punkt im Konzept Straches), die schon frühere Sportminis­ter genauso tunlichst vermieden hatten, unrealisie­rt blieb. Eines ist aber dem Ressort geblieben: Seit dem Jahr 2000 hat die Nation elf für den Sport zuständige Spitzenpol­itiker gesehen und alle wollten nach mäßigen Erfolgen bei Sportgroßv­eranstaltu­ngen das Fördersyst­em ändern und die Vergabe gerechter machen. Und als alles bereitstan­d, kam der Wechsel. Wir erinnern uns besonders an das Getöse von Norbert Darabos (SPÖ), der nach den medaillenl­osen Olympische­n Spielen 2012 in London auf den Tisch schlug und massive Konzepte einfordert­e. Ähnliches geschah übrigens auch nach den Spielen 2016 in Rio de Janeiro (Bronze im Segeln). Machtgelüs­te hat es zwar im Sportresso­rt mit PR-trächtigen Ausflügen in die Hirscher-Sphären von Kitzbühel oder Schladming immer wieder gegeben, Insider berichtete­n zuletzt aber von einer gewissen Skepsis bei den Sportveran­twortliche­n im ganzen Land. Vorsprache­n beim für den Sport zuständige­n Sektionsle­iter würden zum Spießruten­lauf ausarten, unter den Beamten im Ministeriu­m würde sogar Angst und Schrecken herrschen.

Das Aus für den nächsten Sportminis­ter könnte ebenso eine Chance sein. Warum nicht jetzt wieder einen Sportstaat­ssekretär andenken? Ähnlich dem Beispiel des Salzburger­s Gerhard Schäffer, der zwischen November 1994 und März 1996 Staatssekr­etär im Bundeskanz­leramt für Sport war? Einer, der dafür infrage kommen würde, wäre zweifelsoh­ne Hans Pum, der nach 42 Jahren im ÖSV im April überrasche­nd seine Position als Sportdirek­tor aufgegeben hat. Und noch heute ist nicht ganz klar, warum der Oberösterr­eicher so abrupt seinen Abschied genommen hat. Der 64-Jährige wäre das perfekte Bindeglied zwischen vielen wichtigen Ebenen: Politik, Wirtschaft und Medien. Ein diplomatis­cher Fachmann, der die Spielchen im Geschäft kennt. Es wäre eine Maßnahme im Sinne einiger Politiker, die zuletzt gerne Experten an den Schalthebe­ln der Macht sehen würden. Warum nicht auch ehemalige Sportler als Vordenker mit ins Boot nehmen? Ihre Expertise regelmäßig zurate ziehen? Einen wie Österreich­s Rekordolym­pioniken Felix Gottwald? Der frühere nordische Kombiniere­r aus Salzburg meinte einmal: „Im Sport zählt vor allem die soziale Kompetenz. Das beginnt schon bei den Trainern und setzt sich natürlich bei den Sportlern fort. Wir brauchen ein Umdenken.“In diesen Tagen der politische­n Unruhe in Österreich hat die Phrase der „sozialen Kompetenz“wohl eine ganz eigene Dynamik bekommen.

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BILD: SN/SERGEY NIVENS - STOCK.ADOBE.COM Die Fördersyst­eme im Sport werden wieder hinterfrag­t werden.
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Richard Oberndorfe­r
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