Österreichs Sportstruktur steht ohne Sportminister wieder einmal am Anfang
Aus dem Büro des Sportministeriums hieß es am Montag, dass man „funktionstüchtig“sei. Nicht ganz klar ist aber, wer die Tagesgeschäfte jetzt weiterführen darf. Es ist eine politische Entwicklung, die sich in Österreich oft wiederholt.
Und täglich grüßt das Murmeltier. In diesen Tagen wohl ein oft gebrauchtes Zitat. Wobei „täglich“in diesem Fall nicht stimmt. 17 Monate war der nun zurückgetretene Vizekanzler und Sportminister Heinz-Christian Strache in der Regierung für die Sportagenden zuständig. Seine anfängliche Vorgehensweise erinnerte aber an seine Vorgänger: Große Ankündigungen, gepaart mit neuen Konzepten bei Förderungen und Sportstätten. Bei einer ersten Vorstellung der Pläne in einem Wiener Szenerestaurant im September letzten Jahres meinte Strache noch, dass eine nachhaltige Sportstrategie in diesem Land fehle. Und man wolle das werden, was wir nicht seien: eine Sportnation. Die stiefmütterliche Behandlung des Sports in Österreich müsse ein Ende haben, kündigte Strache an.
Müssen wir nun um den Status Sportnation nach dem Abtritt des Sportministers zittern? Mitnichten. Auch wenn jetzt das Projekt eines Nationalstadions anstatt des maroden ErnstHappel-Stadions wieder am Anfang steht. Auch wenn die Entpolitisierung (ein wesentlicher Punkt im Konzept Straches), die schon frühere Sportminister genauso tunlichst vermieden hatten, unrealisiert blieb. Eines ist aber dem Ressort geblieben: Seit dem Jahr 2000 hat die Nation elf für den Sport zuständige Spitzenpolitiker gesehen und alle wollten nach mäßigen Erfolgen bei Sportgroßveranstaltungen das Fördersystem ändern und die Vergabe gerechter machen. Und als alles bereitstand, kam der Wechsel. Wir erinnern uns besonders an das Getöse von Norbert Darabos (SPÖ), der nach den medaillenlosen Olympischen Spielen 2012 in London auf den Tisch schlug und massive Konzepte einforderte. Ähnliches geschah übrigens auch nach den Spielen 2016 in Rio de Janeiro (Bronze im Segeln). Machtgelüste hat es zwar im Sportressort mit PR-trächtigen Ausflügen in die Hirscher-Sphären von Kitzbühel oder Schladming immer wieder gegeben, Insider berichteten zuletzt aber von einer gewissen Skepsis bei den Sportverantwortlichen im ganzen Land. Vorsprachen beim für den Sport zuständigen Sektionsleiter würden zum Spießrutenlauf ausarten, unter den Beamten im Ministerium würde sogar Angst und Schrecken herrschen.
Das Aus für den nächsten Sportminister könnte ebenso eine Chance sein. Warum nicht jetzt wieder einen Sportstaatssekretär andenken? Ähnlich dem Beispiel des Salzburgers Gerhard Schäffer, der zwischen November 1994 und März 1996 Staatssekretär im Bundeskanzleramt für Sport war? Einer, der dafür infrage kommen würde, wäre zweifelsohne Hans Pum, der nach 42 Jahren im ÖSV im April überraschend seine Position als Sportdirektor aufgegeben hat. Und noch heute ist nicht ganz klar, warum der Oberösterreicher so abrupt seinen Abschied genommen hat. Der 64-Jährige wäre das perfekte Bindeglied zwischen vielen wichtigen Ebenen: Politik, Wirtschaft und Medien. Ein diplomatischer Fachmann, der die Spielchen im Geschäft kennt. Es wäre eine Maßnahme im Sinne einiger Politiker, die zuletzt gerne Experten an den Schalthebeln der Macht sehen würden. Warum nicht auch ehemalige Sportler als Vordenker mit ins Boot nehmen? Ihre Expertise regelmäßig zurate ziehen? Einen wie Österreichs Rekordolympioniken Felix Gottwald? Der frühere nordische Kombinierer aus Salzburg meinte einmal: „Im Sport zählt vor allem die soziale Kompetenz. Das beginnt schon bei den Trainern und setzt sich natürlich bei den Sportlern fort. Wir brauchen ein Umdenken.“In diesen Tagen der politischen Unruhe in Österreich hat die Phrase der „sozialen Kompetenz“wohl eine ganz eigene Dynamik bekommen.