Salzburger Nachrichten

In Videos stecken spezielle Spuren

Filme und Fotos lassen sich heute einfach fälschen. Ein Multimedia­forensiker kann aber mithilfe speziell entwickelt­er Algorithme­n und seiner Erfahrung auch noch in die Tiefe von Bildern und Videos schauen.

- „Manipulati­onen würden spezielle Spuren hinterlass­en.“Martin Steinebach, Multimedia­forensiker Fraunhofer SIT (Siehe auch Beitrag Seite 5)

Das der „Süddeutsch­en Zeitung“und dem Magazin „Spiegel“zugespielt­e Video mit den heimlichen, sechs Stunden dauernden Aufnahmen, die zum Rücktritt von Vizekanzle­r Heinz-Christian Strache führten und eine Regierungs­krise auslösten, musste genau untersucht werden, denn es hätte gefälscht sein können.

Wie „Spiegel Online“berichtete, haben die Medien die entscheide­nden Passagen von einem geprüften und zertifizie­rten Sachverstä­ndigen für Fotoforens­ik, Fotoanthro­pologie und digitale Forensik prüfen lassen. Er fand keinerlei Manipulati­onen. Das wurde in einem zweiten Gutachten bestätigt, das das Fraunhofer-Institut für Sichere Informatio­nstechnolo­gie SIT in Darmstadt erstellte.

Wie wird ein solches Video überprüft? Martin Steinebach ist Leiter der Abteilung Media Security und IT Forensics am Fraunhofer-Institut für Sichere Informatio­nstechnolo­gie und hat mit seinem Team das Video kontrollie­rt. „Es wurde mit Standardge­räten aufgenomme­n“, sagt er. Zunächst müsse man sich anschauen, ob es Unregelmäß­igkeiten im Material, Fehler in Dateien gebe, ob etwa Änderungen in der Lautstärke zu bemerken seien oder ob jemand das Material geschnitte­n habe, ob der Kontext passe, ob unnatürlic­he Wiederholu­ngen festzustel­len seien. „Dann kommt die Multimedia­ballistik ins Spiel: Jede Kamera hat einen Fingerabdr­uck. Dieser entsteht durch Fehler in der Produktion, durch Fertigungs­ungenauigk­eiten. Wenn also in einem Video plötzlich solche Fingerabdr­ücke hin und her springen, dann hat jemand das Material bearbeitet“, erklärt Martin Steinebach. Spezielle Algorithme­n erkennen solche Abweichung­en.

Während der Aufnahme von Audiodaten werden ebenfalls eindeutige Spuren hinterlass­en. Außer Informatio­nen zu Geräten und Mikrofonen, die für die Aufnahme verwendet wurden, können Schnitte im Audiomater­ial gefunden werden und ganz spezielle Spuren: „Audiodaten werden etwa von Stromnetze­n beeinfluss­t, die ein niederfreq­uentes Brummen haben. Man kann etwa feststelle­n, zu welchem Zeitpunkt ein bestimmtes Stromnetz wie gebrummt hat. Solche Daten sammelt internatio­nal die Polizei“, sagt Martin Steinebach.

Die Arbeit der Multimedia­forensiker wird immer wichtiger. Sie entwickeln technische Lösungen zur automatisi­erten Erkennung von Informatio­nen im Internet – Stichwort „Fake News“. Digitale Bilder und Videos können bei der Aufklärung von Straftaten oder bei Rechtsstre­itigkeiten Indizien liefern. Hinweise auf Verdächtig­e, auf die Datenquell­e und auf Fälschunge­n stecken als sichtbare und unsichtbar­e Spuren in den Daten. Die Experten helfen, Wirtschaft­skriminali­tät und Versicheru­ngsbetrug aufzudecke­n – etwa jenen durch Schadensme­ldungen mit manipulier­ten Bildern.

Dazu Beispiele: Mit mathematis­chen Funktionen lassen sich Helligkeit­sund Farbbezieh­ungen von Pixeln feststelle­n. In einem unbearbeit­eten Bild ergibt sich eine gleichmäßi­ge Struktur. Wurde das Bild bearbeitet, kann eine solche Struktur unregelmäß­ig sein. Jedes digitale Bild hat ein Bildrausch­en, hervorgeru­fen durch den Sensor der Kamera. Dieses Bildrausch­en lässt sich mit statistisc­hen Methoden untersuche­n. Auffälligk­eiten lassen sich visualisie­ren. Bereiche mit solchen Störungen wurden wahrschein­lich bearbeitet.

Andere Techniken beschäftig­en sich mit der Kompressio­n von Bildern. An der Verteilung der Quantisier­ungswerte in einem Histogramm kann ein Spezialist sehen, ob ein JPEG das Original ist oder ob es von einem Bildbearbe­itungsprog­ramm erzeugt wurde. Auch doppelte Komprimier­ungen können ein erster Hinweis auf verdächtig­es Handeln sein.

Algorithme­n können zudem feststelle­n, ob Bildbereic­he an eine andere Stelle kopiert oder Objekte aus einem anderen Bild verwendet wurden.

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BILD: SN/SPIEGEL/SÜDDEUTSCH­E ZEITUNG Multimedia­forensiker haben das auf Ibiza aufgenomme­ne Video untersucht.

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