„Irgendwann geht es um Haltung“
Innenminister Kickl sei untragbar geworden, sagt der Landeshauptmann. Ob die FPÖ noch einmal als Partner infrage kommt, lässt er offen.
Die SN erreichen Landeshauptmann Wilfried Haslauer (ÖVP) nach der Sitzung des Bundesparteivorstands am Montag in Wien telefonisch – auf dem Weg retour nach Salzburg. SN: Wie soll es bis zur Neuwahl im September weitergehen? Wilfried Haslauer: Es sind spannende Tage jetzt. Eines der angesprochenen Kernprobleme ist, dass die FPÖ nicht nur die Regierung in die Luft gesprengt hat mit diesem unmöglichen Video, sondern auch kein Unrechtsbewusstsein hat, das alles auch nicht einsieht und keinen Anstand zeigt. Der Bundeskanzler hat dem Bundespräsidenten am Montag vorgeschlagen, Innenminister Herbert Kickl von seiner Position zu entheben. Dann ist angekündigt, dass alle FPÖ-Minister gehen. Dann muss man die FPÖ-Ressorts durch Experten besetzen. Und dann scheint es eine Sondersitzung im Nationalrat zu geben. SN: Kickl ist also Ihrer Meinung nach nicht mehr tragbar? Meines Erachtens nicht. Da muss man in dieser Situation politische Hygiene walten lassen. Es ist ja auch angekündigt, dass weitere Abschnitte dieses Videos kommen sollen. Wir wissen also noch gar nicht, was sich noch alles ergibt. SN: Kennen Sie das Ibiza-Video in voller Länge? Nein, ich kenne es nicht. SN: Haben Sie sich eigentlich am Samstag sofort für Neuwahlen ausgesprochen? Oder wäre es für Sie eine Option gewesen, die Koalition ohne Kickl weiterzuführen? Wir haben verschiedene Varianten durchgedacht und durchdiskutiert. Ich habe mich da auch in Salzburg umgehört. Faktum ist, die Entscheidung für Neuwahlen wird auch in Salzburg vollinhaltlich mitgetragen. Auch wenn es großes Bedauern gibt, dass diese erfolgreiche Regierungsarbeit beendet ist. SN: Aber sprachen Sie sich sofort für Neuwahlen aus? Aus der ersten Emotion heraus sagt man immer gleich Neuwahlen. Wenn man dann einen Schritt weiterdenkt, wie es dann weitergehen soll, was da bei einer Wahl herauskommt. Da kommt dann vieles zusammen. Aber es hat sich dann ein verdichtetes Meinungsbild ergeben. SN: War es im Nachhinein betrachtet ein Fehler, sich mit der FPÖ einzulassen? Ich finde schon, dass es eine erfolgreiche Regierungsarbeit war. Die Schuldenpolitik wurde beendet, die Mindestpensionen angehoben, da gab es schon kräftige Schritte und Reformvorhaben. Sachlich war es kein Fehler. Politisch ist man ja kein Hellseher. Dass sich da dann eine Summe von Einzelfällen ergibt, damit hat man nicht rechnen können. SN: Ist die ÖVP da nicht selbst schuld? Schließlich hat sie die FPÖ in Regierungsverantwortung gebracht. Es gab zwei Alternativen: Eine Große Koalition, die klar abgewählt wurde. Oder ein Reformprojekt mit der FPÖ zu starten. Aber diese Anstreifer, mit den Identitären, dann mit dem Rattengedicht. Der Toleranzbogen wurde schon sehr bemüht. SN: Wie viel taktische Überlegung ist jetzt dabei? Die FPÖ spricht ja bereits von Machtbesoffenheit der ÖVP. Das ist Kickl, wie er leibt und lebt. Norbert Hofer macht den Good Guy, Kickl den Bad Boy. Der Wahlkampf vonseiten der FPÖ ist also eröffnet. Irgendwann kommt man zu dem Punkt, wo man gar nicht mehr wahltaktisch überlegen darf. Sondern sich die Frage stellt: Was ist noch zumutbar? Irgendwann geht es auch um Haltung. Eine Neuwahl ist immer unkalkulierbar. Es war mit Sicherheit nicht so, dass wir gesagt haben: Hurra, hurra. Jetzt wählen wir, und dann gewinnen wir noch ein paar Prozentpunkte dazu. Auch in Funktionärskreisen gab es Betroffenheit, dass diese Zusammenarbeit jetzt beendet ist. Auf der anderen Seite war es auch eine Befreiung, dass wir diesen Schritt jetzt so klar gesetzt haben. SN: Ist die Salzburger Volkspartei bereit für den Wahlkampf? Es wird uns nichts anderes übrig bleiben. Natürlich sind wir bereit. Wir werden uns mit allen Kräften für Sebastian Kurz einsetzen. Wenn man ihm vorwirft, dass er sich am Samstag zu viel Zeit genommen hat, dann ist das blanker Unsinn. Er hat das Video erstmals am Freitagabend gesehen und ein, zwei Tage davor etwas gehört. In dieser Situation kommt es auf jedes Wort an. Kurz ist da an Tatkraft und Leadership nicht zu überbieten gewesen. SN: Die vorgezogene Nationalratswahl wird zumindest für die Stadt-Salzburger die zwölfte Wahl in drei Jahren. Ist das den Bürgern noch zumutbar? Uns wär’s auch lieber, wenn wir’s nicht machen müssten. Aber so ist es. Demokratie verlangt Enga
gement und Hinwendung. Demokratie ist nicht nur etwas, das man über sich ergehen lassen kann. Also habe ich die Bitte und das Ersuchen, vom Stimmrecht Gebrauch zu machen. Ich bin überzeugt, dass die Wahlbeteiligung gut sein wird, so wie beim letzten Mal.
SN: Offenkundig braucht es auch mehr Transparenz bei den Spenden an Parteien. Sollte man da nicht auf Landesebene eine Vorreiterrolle einnehmen? Bei uns ist alles im Netz. Man braucht nur reinschauen. Wir halten das auch strikt ein. Der Kanzler hat uns am Montag auch versichert, dass kein Cent der im Video genannten Spender gekommen ist.
SN: Und auf Landesebene? Der Landesrechnungshof kann die Parteifinanzen nicht kontrollieren. Es gibt Kontrollmöglichkeiten. Meines Erachtens ist das ausreichend.