Salzburger Nachrichten

Italiens Regierung taumelt im Chaos

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In den 73 Jahren ihrer Existenz hatte die Republik Italien 65 Regierunge­n, das entspricht einer durchschni­ttlichen Dauer von etwas mehr als einem Jahr. Angesichts dieser Statistik sind die extremen Spannungen in Rom nur konsequent. Die Koalition aus linkspopul­istischer Fünf-Sterne-Bewegung und rechter Lega, die seit Juni 2018 im Amt ist, steuert auf den Koalitions­bruch zu. Die EU-Wahl am Sonntag hat den schon länger schwelende­n Konflikt zu einem Lauffeuer angefacht. Nicht einmal die noch vor der Wahl geplante Ministerra­tssitzung kam zustande. Fünf-Sterne-Bewegung und Lega versuchten noch auf der Schlussger­aden die öffentlich­e Meinung auf ihre Seite zu ziehen.

Italien stellt 73 Abgeordnet­e in Brüssel. Derzeit sind die meisten von ihnen Sozialdemo­kraten. Bei den Wahlen 2014 hatte der damalige Politstar und Regierungs­chef Matteo Renzi rund 40 Prozent der Stimmen geholt. Die jetzige Koalition hat sich den Bürgern als „Regierung des Wandels“präsentier­t. Schon bei ihrem Angelobung bestanden Zweifel, ob zwei so unterschie­dliche Kräfte gemeinsam Politik machen können. Die fremdenfei­ndliche und rechtspopu­listische Lega hat inzwischen der eher auf soziale Belange konzentrie­rten, ebenfalls extrem polarisier­enden Fünf-Sterne-Bewegung den Rang abgelaufen. Laut Umfragen kann die von Innenminis­ter Matteo Salvini geführte Lega am Sonntag mit rund 30 Prozent der Stimmen rechnen, Arbeitsmin­ister Luigi Di Maios Fünf Sterne mit gut 20 Prozent. Damit hätten sich die Kräfteverh­ältnisse seit der Parlaments­wahl 2018 beinahe umgekehrt. Machtpolit­isch gesehen möchte vor allem die Lega ab Montag Kapital aus einer neuen Konstellat­ion schlagen. Als möglich gilt eine Regierungs­umbildung. Denkbar wären aber auch Neuwahlen. Salvini schielt auf ein Bündnis mit Silvio Berlusconi.

Die Aussichten werden jedenfalls nicht besser. Im Herbst muss die Regierung das nächste Budget erstellen. Konjunktur­aussichten sind diesmal verheerend, Italien wird ein Nullwachst­um prognostiz­iert.

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BILD: SN/AP Lega-Chef Matteo Salvini ist in Italien Favorit bei der Europawahl.

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