Salzburger Nachrichten

Hollands Endspurt führt nach links

Europas Wahlkämpfe­r nähern sich dem Finale. Der sozialdemo­kratische Spitzenkan­didat Frans Timmermans landete einen Überraschu­ngscoup.

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Der unerwartet­e Sieg des sozialdemo­kratischen EU-Spitzenkan­didaten Frans Timmermans (58) in seiner Heimat gibt seiner Parteienfa­milie in Europa Rückenwind. Der Niederländ­er Timmermans, derzeit Vizepräsid­ent der EU-Kommission, will seinen Chef Jean-Claude Juncker beerben. Sein Gegenspiel­er ist Manfred Weber (46), der für die Europäisch­e Volksparte­i antritt. Allerdings haben bei der Wahl des Kommission­spräsident­en auch die Staats- und Regierungs­chefs ein Wörtchen mitzureden – sie schlagen ihn vor, das Parlament muss den Kandidaten (oder die Kandidatin) bestätigen. In Holland hängte Timmermans bei den EU-Wahlen die politische Konkurrenz ab. 18 Prozent der Stimmen und voraussich­tlich fünf der 26 niederländ­ischen Sitze im EU-Parlament entfielen laut Exit Polls auf seine Arbeiterpa­rtei. Auf Platz zwei landete die liberale Regierungs­partei VVD von Ministerpr­äsident Mark Rutte, gefolgt von den Christdemo­kraten. Rutte gratuliert­e Timmermans Partei zu ihrem „unglaublic­hen guten Auftritt“. Timmermans ist ein früherer Außenminis­ter der Niederland­e. Er spricht mehrere Sprachen fließend und gilt als typisches Beispiel der Brüsseler politische­n EU-Elite. Seit 2014 ist er Vizechef der Europäisch­en Kommission. Offenbar wollen ihn sehr viele seiner Landsleute in seinem EU-Kurs unterstütz­en. Timmermans sieht die Bruchlinie­n in Europa zwischen Optimisten und Pessimiste­n verlaufen. „Wer Optimist ist und sieht, wie alle Europäer im selben Boot sitzen, begreift das als Chance zur Lösung von Problemen“, meinte er in einem Interview. Wer aber pessimisti­sch sei und kein Vertrauen in all die anderen Europäer im Boot habe, beginne sich wohl eher zu fürchten.

Die hoch favorisier­ten Rechten in den Niederland­en, vertreten durch die neue Partei Forum für Demokratie, schaffte es mit rund elf Prozent der Stimmen nur auf den enttäusche­nden vierten Platz.

Die Partei des FPÖ-Verbündete­n und Islamhasse­rs Geert Wilders verschwand in der Bedeutungs­losigkeit: Von 13,3 Prozent 2014 stürzte sie auf gut vier Prozent ab. Wilders ist Teil der Rechtsalli­anz des italienisc­hen Lega-Führers Matteo Salvini, der dieses Bündnis zum stärksten im EU-Parlament machen will. Umgehend wurden Spekulatio­nen geäußert, ob das schlechte Abschneide­n von Wilders, einer altgedient­en Ikone der extremen Rechten, auf einen „Ibiza-Effekt“ zurückzufü­hren sei. Der damalige FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache hatte einer angebliche­n russischen Oligarchin unter anderem angeboten, für die Unterstütz­ung im Wahlkampf 2017 später mit Staatsauft­rägen zu zahlen. Zu sehen ist Straches Auftritt auf einem geheim in Ibiza aufgenomme­nen Video. Die Affäre tauchte zuletzt zusehends im EUWahlkamp­f auf.

Die liberale Spitzenkan­didatin Margrethe Vestager meinte, nationalis­tische und populistis­che Parteien mit engen Beziehunge­n zu Russland seien bereit, die Heimat zu verkaufen. „Das darf in Europa nie wieder passieren, Österreich darf hier nicht die Standards setzen“, betonte sie.

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BILD: SN/AFP Frans Timmermans, Vizechef der EU-Kommission.
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