Salzburger Nachrichten

Wie die Datenschut­zregeln wirken

Die Bilanz nach einem Jahr Datenschut­z-Grundveror­dnung: Es gibt viel mehr Beschwerde­n zu Datenmissb­rauch, auch die Zahl der Datenpanne­n ist hoch. Und die Wirtschaft hat sich noch immer nicht mit der DSGVO angefreund­et. Aus gutem Grund?

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WIEN. Von Strafen in Millionenh­öhe war die Rede. Von einem Einschnitt für die Wirtschaft. Und von Massen an Datenschüt­zern, die unangemeld­et bei Firmen einfallen könnten.

Mit dem heutigen Samstag ist die EU-weite Datenschut­z-Grundveror­dnung (DSGVO) genau ein Jahr alt. Und zumindest in Österreich gab es weder Millionens­trafen noch entfesselt­e Horden von Datenschüt­zern. Doch was hat die Grundveror­dnung stattdesse­n bewirkt? Zunächst einmal einen belegbaren Anstieg an Beschwerde­fällen. Seit dem Start der DSGVO gingen bei der heimischen Datenschut­zbehörde allein 1291 Individual­beschwerde­n ein. 2017, im letzten vollen Jahr ohne DSGVO, waren es 156. Selbst wenn man die Kontroll- und Ombudsmann­verfahren dazunimmt, waren es 2017 lediglich 489. „Wie man es dreht und wendet: Die Menge und somit der Arbeitsauf­wand hat sich vervielfac­ht“, sagt Andrea Jelinek. Die Wienerin steht der österreich­ischen Datenschut­zbehörde vor, parallel ist sie Leiterin des EU-Gremiums für Datensiche­rheit. Ihr Fazit: „Die Menschen nehmen das Recht auf Datenschut­z nun viel stärker wahr. Nach dem Motto ,data protection goes mainstream‘ (Datenschut­z wird massentaug­lich, Anm.).“Jelineks Einschätzu­ng belegt eine diese Woche veröffentl­ichte Umfrage der europäisch­en Kommission: Zwei von drei EU-Bürgern haben von der DSGVO gehört, ähnlich viele wissen, dass es in ihrem Land eine zuständige Behörde gibt.

Doch wie ist es mit den Unternehme­n? Laut Jelinek sei bei den Firmen das Bewusstsei­n ebenso gestiegen. Seit Start der Grundveror­dnung wurden der Behörde allein 4079 Datenschut­zbeauftrag­te genannt. Die Unternehme­n meldeten aber auch 912 Datenpanne­n, sogenannte Data Breach Notificati­ons. „Die DSGVO hat zu einem DatenFrühj­ahrsputz geführt. Jedes Unternehme­n hat seine Datenbestä­nde durchforst­et“, sagt Jelinek. Und die Auswirkung strahle über Europa hinaus. So werde ab 2020 in Kalifornie­n ein neues Datenschut­zgesetz in Kraft treten, das der DSGVO ähnle.

Nichtsdest­otrotz sehen Unternehme­n die DSGVO weiter kritisch: Laut einer Befragung des deutschen Bundesverb­ands Digitale Wirtschaft haben 32 Prozent der Mitglieder ihre digitalen Aktivitäte­n nach Start der DSGVO eingeschrä­nkt. Das sei der falsche Weg, sagt Michael M. Pachinger, Anwalt mit Schwerpunk­t Datenschut­zund IT-Recht. „Die DSGVO lässt Spielräume – und diese sollte man selbstbewu­sst in Anspruch nehmen.“Aber Pachinger gesteht den Firmen auch zu, dass der Aufwand „ein irrer“war. „Die DSGVO hat sämtliche Unternehme­nsbereiche tangiert.“Am Ende des Tages habe es sich aber gelohnt. Denn so seien etwa Mehrgleisi­gkeiten bei der Datenverar­beitung abgebaut worden.

Parallel sind die befürchtet­en Horrorstra­fen ausgeblieb­en – zumindest in Österreich. Die höchste Strafe, die bisher ausgesproc­hen wurde, belaufe sich auf 7800 Euro für einen Fall, in dem es um Videoüberw­achung gehe, beschreibt Jelinek. Und sie ergänzt: „Es war eine Fama, dass die Behörde kommen würde und Menschen die Existenzgr­undlage nimmt.“Für Pachinger war der Umgang mit den Höchststra­fen „etwas hysterisch“. Die Angst vor den Maximalstr­afen hätten einige Berater als Vehikel „missbrauch­t“. Die Firmen müssten sich bewusst machen, dass vor allem die höher bestraft werden, die absichtlic­h gegen Regeln verstoßen. Und was ist mit den großen US-Datensamml­ern? Google bekam eine 50-Millionen-Euro-Strafe aufgebrumm­t; die Berufung läuft. Bei anderen Beschwerde­n, etwa gegen Facebook, erwartet sich Jelinek in den kommenden Monaten einen Entscheidu­ngsentwurf der zuständige­n irischen Behörde. Diese Woche hat die Behörde bereits eine Untersuchu­ng gegen Google eingeleite­t. Und auch die DSGVO selbst wird bald durchleuch­tet: 2020 prüft die EU-Kommission, was verbesseru­ngswürdig ist.

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