Salzburger Nachrichten

US-Justiz verschärft Anklage gegen Assange

Dem Gründer der Enthüllung­splattform WikiLeaks drohen bis zu 175 Jahre Haft. Kritiker sehen einen Angriff auf die Pressefrei­heit.

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LONDON. Das mögliche Strafmaß klingt gewaltig. Doch noch mehr sind amerikanis­che Menschenre­chtsaktivi­sten über die Begründung besorgt: Die US-Justiz weitete die Anklage gegen WikiLeaks-Gründer Julian Assange von einem auf 18 Punkte aus, womit dem 47-Jährigen bei einer Auslieferu­ng und Verurteilu­ng bis zu 175 Jahre Haft drohen würden. Überrasche­nd wird Assange, der 2010 geheime militärisc­he und diplomatis­che Dokumente unter anderem zum IrakKrieg und zum Afghanista­n-Einsatz veröffentl­icht hatte, nun auch eines Verstoßes gegen das Anti-Spionagege­setz bezichtigt.

Dieser Anklagepun­kt besitzt enorme politische Sprengkraf­t. Bei der Bekanntgab­e der ersten Anklage vor sechs Wochen hatten selbst konservati­ve Blätter wie das „Wall Street Journal“begrüßt, dass Assange wegen einer Verschwöru­ng mit der amerikanis­chen Whistleblo­werin Chelsea Manning verfolgt werde und nicht wegen Spionage. Schon die ObamaRegie­rung hatte diesen Vorwurf, der bisher nur gegen Beamte und Soldaten erhoben wurde, wegen eines möglichen Verstoßes gegen die in der Verfassung garantiert­e Pressefrei­heit fallen gelassen. Die Kehrtwende der Trump-Regierung stößt auf scharfe Kritik. „Die Anklage beruht fast ausschließ­lich auf dem Verhalten, das investigat­ive Journalist­en täglich an den Tag legen“, sagte Jameel Jaffer vom Knight First Amendment Institute der New Yorker Columbia University. „Das ist als frontaler Angriff auf die Pressefrei­heit zu verstehen.“

Ähnlich äußerte sich Seymour Hersh, ein legendärer US-Enthüllung­sjournalis­t, der unter anderem die Massaker während des Vietnam-Kriegs aufdeckte: „Heute Assange, morgen vielleicht die ,New York Times‘ und andere Zeitungen, die viele der wichtigen Informatio­nen druckten, die Assange heranschaf­fte.“

Assange ist in Großbritan­nien wegen Verstoßes gegen Kautionsau­flagen zu 50 Wochen Haft verurteilt worden. Die USA haben offiziell seine Auslieferu­ng beantragt. Die Anklagesch­rift beruht auf den Ereignisse­n des Jahres 2010. Damals veröffentl­iche Assange Hunderttau­sende vertraulic­he Dokumente des US-Außenminis­teriums und des amerikanis­chen Militärs, die Manning beschafft hatte. Allerdings hat vergangene Woche auch die schwedisch­e Staatsanwa­ltschaft Haftbefehl gegen Assange wegen des Verdachts der Vergewalti­gung beantragt. Assange hatte aber stets behauptet, die Vorwürfe in Schweden seien nur ein Vorwand, um ihn festnehmen und an die USA ausliefern zu können.

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