Auf einmal Geld
„Kopf hoch!“, schießt es mir immer wieder durch selbigen, wenn ich „gesenkten Hauptes“meine Wege gehe, als gäbe es nichts Interessanteres als Bodenbelag. Vermutlich ist es aber einfach ganz natürlich, dass der Kopf, je älter man wird, umso mehr mitbekommen und zu schleppen hat, umso voller an Erinnerungen und also an Gewicht wird. Es ist jedenfalls – aber mich beobachtet ja eh niemand beim Gehen (außer meinem Hausarzt, der um die Ecke wohnt und mit meinem Wanderfleiß sehr zufrieden ist) – schade, wenn man sich zu selten in den Baumwipfeln und den sie umtanzenden Wolken umschaut.
Es hat aber auch Vorteile: Ich behaupte hier mal, ich bin Salzburgs erfolgreichster Geldfinder. Tatsächlich blinkt mir immer wieder ein kupferroter Fleck ins Auge und verführt mich zu erfolgreichem Bücken. Der Cent kommt dann zu Hause in eine alte Spardose, die ich noch von meinen Kindern aufbewahrt habe, und alle Jubeljahre, wie zuletzt vor zwei Wochen, trage ich das gewichtige Stück zur Bank, schütte den Inhalt stolz in das Zählbecken, das dann die Pfennige, Dinare und Ähnliches aussortiert (als wollten sie lieber in den Klingelbeutel), und sehe dann mit wenig Jubel, eher wie beleidigt auf die Summenzahl: Das heißt zwei Mal Eis mit je drei Kugeln. Nicht nur die Liebe, auch das Geld ist ein „wunderlich Ding“, das wird selbst Hugo von Hofmannsthal nicht anders gesehen haben. Dabei ist Letzteres für viele noch weitaus anziehender als Erstere. Wobei es tatsächlich viele Parallelen bei beiden gibt, was ihre Fähigkeiten betrifft, Lust zu erzeugen, wenn sie im Schoß liegen, oder das Bedürfnis nach Erbarmen, wenn es sich zurückzieht oder überhaupt fehlt. Nun gut, wir lassen das mal beiseite und kehren zurück zu unserem kleinen Erlebnis, das mir zeigte, dass es manchmal auch anders laufen kann, nämlich viel einfacher:
Ich ging gestern Mittag nach ein paar der üblichen Bürostunden kopfrunter über den – nein, das verrate ich jetzt lieber nicht, wo das war, denn ich höre schon die schnarrende Stimme am Telefon: Aaah, Sie haben das also mitgenommen.
Ja, habe ich. Tatsächlich. Und sozusagen automatisch. Ich sah das vertraute Blau zu meinen Füßen, als wäre ein Stück vom Himmel heruntergefallen, bückte mich, nahm den Schein, der nicht nur Schein war, und ging weiter, ohne mich nach einem Suchenden umzusehen. Was mich erfüllte, war das Gefühl eines ganz normalen, üblichen Menschen, der immer schon den Eindruck hatte, vom Leben für all das, was man tut, gefragt wie ungefragt, nicht hinreichend bedankt, geschweige denn beglückt oder gar bezahlt zu werden, und wenn dann doch mal die Sonne scheint, dann hat man das eben auch lange schon verdient. Im Übrigen hätte ich in diesem Fall ja auch gar nicht gewusst, bei wem ich mich bedanken soll.
Also, ich habe den etwas seltsam gefalteten Zwanziger eingesteckt und zu Hause stolz auf den Tisch gelegt, als hätte ich das auf üblichem Wege verdient und nicht nur dem Zufall einen Gefallen getan. Da lag er, der Schein. Und da liegt er immer noch. Irgendwie ist er, irgendwie hat er etwas Ungehöriges. Wenn nicht gar Unerhörtes, Ungeldiges. Meinte ich; meine Frau aber nicht, sie ist die Realistischere von uns beiden. Sie sagte mir, sie habe dafür gestern noch eine Fußmatte für die Haustür gekauft. So kommt das Geld wieder zu Füßen.
Und bleibt da hoffentlich liegen. Jochen Jung