Von Guten und Bosnigln
ICHfahre mit dem Rad. Ich tue das nicht aus sportlichen Gründen, sondern weil es eine akkurate und rasche Methode ist, von A nach B zu gelangen. Und weil es, unter uns gesagt, mit gutem Gewissen ein wenig spitze Schadenfreude über all die Mitbürgerinnen und Mitbürger erlaubt, die in ihren Blechkäfigen genervt im Stau köcheln.
Ähem. So wird der Gutmensch zum Bosnigl, könnte man sagen. Aber darauf wollte ich jetzt gar nicht hinaus.
Worauf ich hinauswollte, ist meine geschätzte und bewunderte Kollegin Stefanie Schenker, die sich an diesem Platz vergangene Woche als mutige Einzelkämpferin geoutet hat. Sie fährt nämlich auch Rad, aber erst seit Kurzem. Und sie gestand, bei einer roten Ampel tatsächlich stehen zu bleiben und zu warten, bis sie auf Grün schaltet. Was sie als Radfahrerin, wie sie feststellte,
zur einsamen Bannerträgerin verkehrstechnischer Moral macht.
Das tut nichts, möchte ich ihr tröstend zurufen. Es muss sich deswegen niemand einsam fühlen. Es lohnt sich, bei Rot stehen zu bleiben. Ich versuche es immer. Außer der Bosnigl in mir gewinnt die Überhand.
Na ja. Aber ansonsten gehöre ich zu den Guten. Ganz eindeutig. Ich renne zum Beispiel seit fast zehn Jahren durch die Gegend und nerve mit dem Klimawandel. Mittlerweile nerven aber auch andere. Laut einer gerade veröffentlichten Umfrage finden immerhin 67 Prozent aller österreichischen Schülerinnen und Schüler, dass die Europäische Union – und überhaupt alle – schleunigst etwas gegen die Klimaerwärmung tun sollen. Das Thema steht ganz oben auf der Agenda der jungen Leute.
Da sieht hastdunichtgesehen ein ganzes Establishment alt aus. Denn fast allen unseren Politikerinnen und Politikern, unseren Kammerfunktionären und Interessenvertretern, ist der Klimawandel völlig schnurz. Interessiert sie bei Sonntagsreden, das ja. Wenn sie irgendwelche Nachhaltigkeitsberichte machen oder Parteiprogramme. Danach eher nicht mehr.
Wir sehen: Ganze Gesellschaftsteile können unversehens zu geradezu apokalyptischen Bosnigln werden. Wenn zum Beispiel schon längst alle Ampeln unseres Ökosystems rot leuchten und trotzdem niemand stehen bleiben will.
Dass es auch anders herum funktioniert, zeigt unser Arnold Schwarzenegger. Er wurde von einem, dessen kalifornische Karosse gar nicht genug Pferdestärken haben konnte, von einem, bei dem sich auch noch der letzte Österreicher bemüßigt sah, ihm jeden Funken Hirn abzusprechen, zu einer globalen Leitfigur im Klima-Kampf.
So nahe nämlich wohnen die beiden Seelen in uns.