Salzburger Nachrichten

Noch in Erinnerung“

Zwölf Menschen starben beim Brand im Tauerntunn­el. Andreas Lindner überlebte die Katastroph­e nur knapp. Er erinnert sich an ein „heftiges Erlebnis“.

- Zum 20. Jahrestag An der Autobahnka­pelle THOMAS SENDLHOFER

des Unglücks im Tauerntunn­el am Mittwoch, dem 29. Mai, veranstalt­et die Asfinag eine Gedenkfeie­r bei der Autobahnka­pelle Flachau. Beginn ist um 15 Uhr. Geladen sind neben Zeitzeugen und Hinterblie­benen auch Mitarbeite­r der Asfinag von damals und heute, Vertreter von Landes- und Gemeindepo­litik sowie der am Einsatz beteiligte­n Blaulichto­rganisatio­nen. erinnert seit 28. August 1999 eine Gedenktafe­l an die zwölf Todesopfer. An diesem Tag war der Tunnel nach dreimonati­ger Sperre wieder für den Verkehr freigegebe­n worden. SALZBURG. Andreas Lindner sitzt am 29. Mai 1999 im Auto Richtung Bibione. Der Zwölfjähri­ge aus Teisendorf ist Samstag früh mit der Familie eines gleichaltr­igen Freundes aufgebroch­en, um an die Adria auf Urlaub zu fahren. Im Tauerntunn­el endet die geplante Reise nach Italien abrupt. Das Fahrzeug kommt kurz nach der Einfahrt ins Nordportal zu stehen: Ein Lkw ist wenige Meter davor auf den Stau aufgefahre­n, der sich vor einer Baustellen­ampel in der Röhre gebildet hatte. Die Folgen sind fatal: Ein Feuer bricht aus. Löschversu­che schlagen fehl. Die Flammen greifen schließlic­h auf einen Lkw über, der mehr als 20.000 Lacksprayd­osen geladen hat.

Während andere Autolenker den Ernst der Lage lange nicht erkennen und in ihren Fahrzeugen sitzen bleiben, entscheide­n die Eltern von Lindners Freund sofort: „Raus aus dem Wagen.“Die vier Personen tasten sich mühsam durch die dunkle Röhre ins Freie. Auf dem Weg nach draußen stehen geöffnete Autotüren im Weg. Explosione­n erschütter­n den Tunnel. Erst mit dem Einfall des Tageslicht­s ist sicher: Alle haben es geschafft. „Das ist unser zweiter Geburtstag“, geben Lindner und sein Freund wenige Stunden nach dem Unfall im Krankenhau­s in Schwarzach gegenüber den SN zu Protokoll. „Das Schlimmste waren die Hilfeschre­ie.“Beide Buben kommen mit einer leichten Rauchgasve­rgiftung davon.

Lindner war einer von 49 Personen, die bei dem Feuer verletzt und in ein Spital eingeliefe­rt wurden. 46 waren durch das Nordportal dem Flammeninf­erno entkommen. Drei Personen wurden im Süden der Röhre von Feuerwehrl­euten aus Zederhaus, die bei dem Einsatz ihr Leben riskierten, gerade noch rechtzeiti­g aus einer Notfallnis­che geholt (siehe Interview rechts). Zwölf Menschen verloren ihr Leben.

„Es war ein heftiges, traumatisc­hes Erlebnis für dieses Alter.“Das sagt Andreas Lindner 20 Jahre nach der Tragödie, als er den Zeitungsbe­richt von damals wieder durchsieht. „Mit dem riesigen Medienrumm­el war das eine sehr skurrile Situation.“Der 32-Jährige, der mittlerwei­le in Ruhpolding lebt, arbeitet als Sozialarbe­iter beim Landratsam­t Berchtesga­dener Land in Bad Reichenhal­l. „Es war auf jeden Fall lebensbedr­ohlich und hätte anders auch ausgehen können.“Die schnelle Entscheidu­ng der Eltern seines Freunds sei ausschlagg­ebend gewesen, dass alle Insassen des Fahrzeugs überlebt haben, ist sich Lindner sicher. Er sei noch heute „sehr dankbar, dass sie so reagiert haben“.

Was blieb von diesem einschneid­enden Erlebnis? „Die Todesangst ist mir noch in Erinnerung und die Frage, ob es das gewesen sein soll“, sagt Lindner. Er wisse noch, dass er bei der Flucht aus der verrauchte­n Röhre kurz stehen geblieben sei und innegehalt­en habe, als ihm diese Gedanken durch den Kopf gegangen seien. Zumindest für seinen Beruf als Sozialarbe­iter erkennt er auch einen Nutzen, die Katastroph­e miterlebt zu haben. „Man verschafft sich einen besseren Zugang zu anderen Menschen, wenn man eine eigene, authentisc­he Lebensgesc­hichte erzählen kann, in der es einem einmal nicht so gut gegangen ist.“

Die Aufarbeitu­ng habe in seinem Fall länger gedauert, sagt Lindner – weil er das Unglück ja nicht mit seiner eigenen, sondern mit der Familie seines Freundes durchlebt hatte. „Ich war eine Zeit lang in einem Schockzust­and und habe zuerst versucht, das zu verdrängen.“

In den ersten Jahren nach der Katastroph­e habe er sich rund um den 29. Mai noch mit dem „besten Kumpel“von damals und dessen Familie getroffen. „Natür

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