Salzburger Nachrichten

Österreich wäre weg vom EU-Fenster

- MANFRED.PERTERER@SN.AT Manfred Perterer

Ein Thema, das im Zusammenha­ng mit dem Misstrauen­santrag gegen den Bundeskanz­ler und/oder die gesamte Regierung kaum beachtet wird, ist die Vertretung Österreich­s in der Welt, vor allem aber in der Europäisch­en Union. Stürzen SPÖ, FPÖ und Liste Jetzt am kommenden Montag Sebastian Kurz, sind wir in der EU bis auf Weiteres weg vom Fenster.

Ein unabhängig­er Expertenka­nzler und seine Regierung hätten in den Brüsseler Gremien nichts zu sagen und dürften sich auch nicht in politische Entscheidu­ngen einmischen.

Ausgerechn­et jetzt stehen aber die großen Weichenste­llungen für die Union ins Haus. Es geht darum, wer Nachfolger von Kommission­spräsident Jean-Claude Juncker wird. Es geht darum, wer den Polen Donald Tusk als Präsident des EU-Rats ablöst, wer den Posten der Außenminis­terin übernimmt, wer in Frankfurt die Europäisch­e Zentralban­k und damit die Zukunft des Euro bestimmt. Für Österreich ganz wichtig: Wer soll unseren Kommissar Johannes Hahn ersetzen? Oder soll Hahn bleiben?

Kann und darf ein Expertenka­binett so tiefgreife­nde Entscheidu­ngen überhaupt fällen? Eher nein. Bis Österreich wieder internatio­nal handlungsf­ähig ist, werden mindestens sechs Monate vergehen. Dann sitzen die neuen EU-Spitzen längst auf ihren Posten, und der Zug für Österreich ist abgefahren.

Vor allem die Europapart­ei SPÖ wird es sich bis Montag daher noch einmal genau überlegen, ob sie Österreich in die europäisch­e Bedeutungs­losigkeit stürzen will oder nicht. Die SPÖ hat es nicht leicht. Wählen die Sozialdemo­kraten gemeinsam mit der FPÖ den Kanzler ab, wird man ihnen nachsagen, sie erfüllten die Rache-Agenda der Rechten, stürzten Österreich in der Hoffnung auf einen späteren Wahlerfolg in die Krise und nähmen unsere internatio­nale Bedeutungs­losigkeit in Kauf. Lassen sie Kurz hingegen im Amt, wird ihnen das als mutlose Packelei mit den Türkisen ausgelegt, die dem Kanzler möglicherw­eise einen Vorteil im Wahlkampf beschert.

Die SPÖ hat die Wahl zwischen Pest und Cholera.

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