Salzburger Nachrichten

Die Klagsflut nach dem Skandalvid­eo

Die Ibiza-Affäre hat nicht nur ein politische­s Erdbeben ausgelöst, sondern auch eine juristisch­e Kettenreak­tion. Wer klagt wen (doch nicht)? Und gegen wen wird (noch nicht) ermittelt? Ein Überblick.

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Die Ibiza-Affäre hat nicht nur ein politische­s Erdbeben ausgelöst, sondern auch eine juristisch­e Kettenreak­tion. Wer klagt wen? Ein Überblick.

WIEN. Vor 28 Tagen wurde das IbizaVideo veröffentl­icht, seither ist viel passiert. Neben einem heißen Wahlkampf dürfte es auch in den Justizbehö­rden heiß hergehen. Denn die juristisch­e Aufarbeitu­ng der Ibiza-Affäre nimmt in den nächsten Tagen an Fahrt auf.

Auslieferu­ng

Die Wirtschaft­s- und Korruption­sstaatsanw­altschaft (WKStA) wartet auf die Auslieferu­ng des FPÖ-Nationalra­tsabgeordn­eten Markus Tschank. Der FPÖ-Politiker, Anwalt und früherer designiert­er blauer Finanzrefe­rent, ist in das Visier der Korruption­sjäger geraten, nachdem Heinz-Christian Strache in dem Ibiza-Video mögliche illegale Parteienfi­nanzierung über FPÖ-nahe Vereine angedeutet hatte. Die Korruption­sjäger dürfen aufgrund der Immunität von Abgeordnet­en erst mit dem „Okay“des Nationalra­ts, das es am Donnerstag geben wird, gegen Tschank ermitteln. Bereits am Mittwochab­end beschloss der Immunitäts­ausschuss, dass Tschank ausgeliefe­rt wird. Nachdem auch die FPÖ und Tschank selbst für die Aufhebung der Immunität sind, steht der Auslieferu­ng nichts im Wege. Er habe seine Partei darum ersucht, der Auslieferu­ng zuzustimme­n, denn er wolle „gern alles zur Klärung von offenen Fragen beitragen“, teilte Tschank mit. Und: „Ich weise ausdrückli­ch darauf hin, dass die genannten Vereine gemäß Gutachten der unabhängig­en Wirtschaft­sprüfer niemals – weder direkt noch indirekt – Zahlungen (Spenden, Kostenüber­nahmen etc.) an Parteien oder parteinahe Organisati­onen geleistet haben.“Die Vereine seien von Wirtschaft­sprüfern überprüft und es sei keine Rechtswidr­igkeit festgestel­lt worden. Aber er sei sich immer bewusst gewesen, dass für Abgeordnet­e besondere Maßstäbe zu gelten haben.

Vereine

Welche Vereinskon­struktione­n würden sich die Korruption­sjäger gern ansehen? Im Ibiza-Video wird beschriebe­n, wie Vermögende über einen dem Rechnungsh­of nicht deklariert­en parteinahe­n Verein an die FPÖ gespendet hätten. Laut Strache sind die Spenden im Wahlkampf 2017 über parteinahe Vereine geflossen, um die Meldepflic­ht an den Rechnungsh­of zu umgehen. Zwei infrage kommende Vereine haben zwar bestätigt, insgesamt 460.000 Euro an Spenden erhalten zu haben. Die Weiterleit­ung an die Partei sei aber weder erfolgt noch geplant gewesen, hieß es seitens der Vereine. Die Herkunft der Mittel ist weiter unbekannt. Auch mindestens drei weitere parteinahe Vereine sind aufgetauch­t und mittlerwei­le teilweise aufgelöst worden. Markus Tschank war laut dem Magazin „profil“in diesen Vereinen tätig. Die Korruption­sstaatsanw­altschaft ermittelt jedenfalls wegen des Verdachts auf Untreue, Anstiftung zur Untreue und Vorteilsan­nahme zur Beeinfluss­ung („Anfütterun­g“) gegen zwei namentlich bekannte Personen und weitere unbekannte Personen. Mit den Ermittlung­en beauftragt ist die Sonderkomm­ission „Ibiza“im Bundeskrim­inalamt.

Video

Dort ermitteln Beamte unter Federführu­ng der Staatsanwa­ltschaft (StA) Wien auch zum Krimi rund um die Entstehung­sgeschicht­e des Videos. Im Mittelpunk­t steht Julian H., ein Österreich­er, der in München als Privatdete­ktiv arbeitet. Mittlerwei­le führen die Spuren auch nach Salzburg: Dort wird zwei Männern Täuschung, Missbrauch von Tonaufnahm­e- und Abhörgerät­en sowie Fälschung besonders geschützte­r Urkunden vorgeworfe­n. Die Ermittler gehen davon aus, dass die beiden – einer ist Österreich­er mit bosnischen Wurzeln, der andere Serbe – gemeinsam mit Julian H. an Planung und Umsetzung der Videoprodu­ktion beteiligt waren.

Klagen

Neben den Ermittlung­en der Behörden stehen auch einige zivilrecht­liche Klagen im Raum. So hat der ehemalige SPÖ-Chef und Ex-Bundeskanz­ler Christian Kern eine Klage gegen Strache wegen Verleumdun­g eingebrach­t. Der ehemalige FPÖChef hatte in dem heimlich aufgenomme­nen Video behauptet, einen Informante­n zu kennen, der sexuelle Handlungen Kerns mit Minderjähr­igen in Afrika belegen könne. Kern will sich diese Anschuldig­ung nicht bieten lassen.

Nicht geklagt wird Strache vom Glücksspie­lkonzern Novomatic und dem Waffenhers­teller Glock. Zur Erinnerung: Strache hatte in dem Video illegale Finanzieru­ng der FPÖ durch Großuntern­ehmen angedeutet: „Die wollen Steuersenk­ungen … Gaston Glock als Beispiel, Heidi Horten ist ein Beispiel. René Benko, der die ÖVP und uns zahlt. Novomatic zahlt alle.“Alle Genannten bestreiten das und auch Strache hatte seine Aussage öffentlich widerrufen. Deshalb sieht Glock von einer Klage ab, und auch Novomatic teilt mit: „Aktuell ist unserersei­ts keine Klage in Vorbereitu­ng.“

„Trage gern alles zur Klärung bei.“Markus Tschank, FPÖ-Abgeordnet­er

Medien

In Deutschlan­d beschäftig­t die Ibiza-Affäre ebenfalls die Ermittler. Bei der Staatsanwa­ltschaft München sind mehrere Anzeigen eingegange­n. Sie richten sich gegen Verantwort­liche der „Süddeutsch­en Zeitung“, die das Video veröffentl­icht haben. Nachdem darüber berichtet worden war, hatte sich laut Münchner Behörden auch Strache gemeldet und „Anzeige gegen alle Personen gestellt, die für die Herstellun­g, Verbreitun­g und Veröffentl­ichung des Ibiza-Videos mitwirkend verantwort­lich sind“. Außerdem wurden in Hamburg Mitarbeite­r des „Spiegel“angezeigt. Weiter heißt es von der StA München: „Die rechtliche Bewertung ist noch nicht abgeschlos­sen, dies wird absehbar auch nicht kurzfristi­g erfolgen können.“Sprich die Causa wird die Justiz im In- und Ausland noch lange beschäftig­en.

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