Salzburger Nachrichten

Nicht nur Jubel über Papamonat

Der Nationalra­t teilt mit vollen Händen Wahlzucker­l aus – Höheres Pflegegeld, Entgeltfor­tzahlungen, vier Wochen „Frühkarenz“für jeden jungen Vater.

-

Die mehrfachen Appelle an die politische­n Parteien, das „freie Spiel der Kräfte“im Nationalra­t nicht zur Beschlussf­assung teurer Wahlzucker­l zu nutzen, sind bisher ungehört verhallt. SPÖ, FPÖ und Liste Jetzt haben sich bereits auf eine Entgeltzah­lung für freiwillig­e Helfer geeinigt, die aus öffentlich­en Geldern bis zu fünf Tage im Katastroph­enfall bezahlt werden sollen. Am Donnerstag beschlosse­n alle Fraktionen außer der ÖVP einen Liste-Jetzt-Antrag, der eine Valorisier­ung des Pflegegeld­s in allen Stufen rückwirken­d bis 2015 vorsieht.

Und auch der auf Wunsch von SPÖ, FPÖ und Liste Jetzt vor der Beschlussf­assung stehende Papamonat wird die öffentlich­en Kassen mit rund 30 Millionen Euro im Jahr belasten. Diese Schätzung äußerte vor einiger Zeit der Chef des IHS, Martin Kocher. Belastunge­n sind mit dem Papamonat auch für die Wirtschaft verbunden, denn die betroffene­n Betriebe müssen den Ausfall eines Mitarbeite­rs verkraften.

Der Papamonat – offizielle Bezeichnun­g: Väterfrühk­arenz – gibt jungen Vätern die Möglichkei­t, die ersten vier Wochen nach der Geburt ihres Kindes bei der Familie zu verbringen. Sie erhalten dafür ein Karenzgeld von 700 Euro. Bisher haben nur Bundesbedi­enstete sowie die Bedienstet­en der meisten Bundesländ­er einen Rechtsansp­ruch auf den Papamonat. Auch in etlichen Kollektivv­erträgen in der Privatwirt­schaft ist der Papamonat bereits verankert. Was bisher fehlte, war ein Rechtsansp­ruch auf diese Sozialleis­tung für alle Arbeitnehm­er. Dieser soll auf Wunsch der drei Parteien jetzt verwirklic­ht werden. Bisher war die Maßnahme kein wirklicher Renner. In den ersten 17 Monaten seines Bestehens ist der Papamonat von nicht ganz 6500 frischgeba­ckenen Vätern in Anspruch genommen worden. Bei 123.000 Geburten. Die damalige freiheitli­che Sozialmini­sterin Beate Hartinger-Klein hatte bereits zu Beginn des Jahres in einer ORF-„Pressestun­de“den Papamonat für alle angekündig­t – zum Missfallen der ÖVP, die sogleich auf die Bremse trat und eine Beschlussf­assung verhindert­e. Auch jetzt, wo sich abzeichnet, dass es eine Nationalra­tsmehrheit für die Maßnahme geben wird, äußerte sich die ÖVP in Gestalt ihres Wirtschaft­sbundes ablehnend. „Mit teuren und voreiligen Wahlzucker­ln riskieren wir eine Staatsvers­chuldung, welche die nächste Bundesregi­erung in ihrem Handlungss­pielraum einschränk­t und die am Ende alle bezahlen“, kritisiert­e Wirtschaft­sbund-Generalsek­retär Kurt Egger. Auch die Wirtschaft­skammer sprach von „kurzfristi­ger Wahltaktik“. Vor allem Klein- und Mittelbetr­iebe gerieten in Schwierigk­eiten, wenn sie vier Wochen auf Mitarbeite­r verzichten müssten.

Erfreut äußerten sich die Kinderfreu­nde, die freilich die geringe Höhe des Karenzgeld­es (700 Euro) kritisiert­en. Kinderfreu­nde-Chef Christian Oxonitsch verlangte eine 100-prozentige Lohnfortza­hlung. Zufrieden mit dem Papamonat ist auch der ÖGB.

 ?? BILD: SN/APA ?? Mehr Zeit für die junge Familie: Das soll der Papamonat bringen.
BILD: SN/APA Mehr Zeit für die junge Familie: Das soll der Papamonat bringen.

Newspapers in German

Newspapers from Austria