Es ist wieder Zeit, für die Freiheit zu kämpfen In Ostmitteleuropa rollt der Bürgerprotest
In der Slowakei tritt Zuzana Čaputová am Samstag das Amt als Präsidentin an. Der Aufschwung der Autokraten ist also zu bremsen.
Der neue Systemkonflikt auf der Welt ist das Ringen zwischen Autokratien und Demokratien. Alarmieren muss uns die Aussage, dass derzeit nicht die Wortführer der Freiheit auf dem Vormarsch sind, sondern die politischen Unterdrücker.
In dem fern von uns liegenden Osten demonstriert Chinas Regime mit dem Vorgehen gegen die Proteste in Hongkong gerade, was es von Versammlungs- und Meinungsfreiheit hält, nämlich nichts. China ist heute eine staatskapitalistisch agierende Parteidiktatur. Es findet Anklang, wenn es sein Autokratie-Modell als Alternative zur liberalen Ordnung des Westens anpreist.
In dem bis an Europa reichenden Osten zeigt das Russland von Präsident Wladimir Putin soeben, was es von Versammlungs- und Meinungsfreiheit hält, nämlich nichts. Die gegängelten Medienleute müssen allen Mut mobilisieren, um einen zu Unrecht inhaftierten Kollegen freizubekommen. Doch den offiziell nicht genehmigten Jubel über diesen Akt von Zivilcourage knüppelt die Polizei gleich wieder nieder. Russland hat sich zurückverwandelt in eine Autokratie, in welcher der Kreml fast alle Fäden zieht. Dass Russland-Versteher diese als „gelenkte Demokratie“bezeichnen wollen, ist groteskes Geschwafel.
In unserem Nahen Osten entfernt sich die Türkei immer weiter vom Status eines EU-Beitrittskandidaten. Unter der Führung von Präsident Recep Tayyip Erdoğan ist das Land am Bosporus von einer instabilen Quasi-Demokratie zu einem De-facto-Willkürsystem geworden,
das Journalisten knebelt, sich die Justiz gefügig macht und nun sogar den Wahlprozess infrage stellt. Europa bleibt folglich der Hoffnungsanker für jene in der Türkei, die sich statt einer orientalischen Despotie eine rechtsstaatliche Demokratie wünschen.
Aber auch im Osten von EU-Europa vollzieht sich eine schleichende Aushöhlung demokratischer Freiheitsrechte. Ausgerechnet in Ländern wie Polen und Ungarn, den Vorreitern der Freiheitsrevolution von 1989, demontieren die Regierenden heute kritische Medien und unabhängige Justiz.
Das Freiheitsstreben der Menschen hat es schwerer denn je, weil die Unterdrücker neue Machtmittel erlangt haben. In China kommt zur Panzer-Diktatur jetzt eine digitale Überwachungsmaschinerie hinzu.
Die Freiheit ist in Gefahr geraten, weil den Autokraten im Osten mitunter die Demokraten im Westen entgegenarbeiten. So zuerst Ministerpräsident Silvio Berlusconi, der mit seinen Interessenkollisionen und seiner „Telekratie“die Gewaltenteilung in Italien aus den Angeln gehoben hat. So neuerdings USPräsident Donald Trump, für den Deals mit Despoten offenbar mehr zählen als die Menschenrechte.
Aber der Vormarsch der Autokraten lässt sich aufhalten, wie ein Blick auf Ostmitteleuropa beweist. In der Slowakei hat Bürgerprotest, in Gang gesetzt von der Empörung über den Mord an einem Investigativjournalisten, eine in Korruption und Mafiapraktiken verstrickte Regierung gestürzt und mit Zuzana Čaputová eine liberale, proeuropäische Politikerin ins Präsidentenamt gewählt.
In Rumänien gehen die Menschen, unterstützt vom integren Staatspräsidenten Klaus Johannis und mit dem Rückenwind der EU, gegen eine Regierung auf die Straße, die versucht hat, den strikten Kampf gegen die Korruption aufzuweichen.
In Tschechien löst Premier Andrej Babiš den Protest von Hunderttausenden Bürgern aus, weil sie befürchten, dass der reiche Unternehmer die Medien des Landes unter seine Kontrolle bringen und überhaupt zu viel unkontrollierte Macht anhäufen könnte. Auch in diesem Fall verstärken kritische Anmerkungen der Europäischen Union zum Regierungsstil in Prag den Unmut der Demonstranten.
Wir müssen offenkundig wieder anfangen, für die liberale Demokratie zu streiten. Sie ist bei allen Fehlern noch immer die einzige Ordnung, welche die Voraussetzungen dafür schafft, die Freiheit des Individuums und ein gerechtes Regieren für alle zu garantieren. Autokratien hingegen neigen zu Machtmissbrauch und Selbstbereicherung, weil es ihnen an Transparenz und Kontrolle mangelt.
Die „sanfte Revolution“vor 30 Jahren im europäischen Osten erinnert daran, dass sogar die mächtigsten Potentaten zuerst wanken und dann fallen, wenn engagierte Bürger für die Freiheit kämpfen.