Salzburger Nachrichten

In Guatemala gehört Korruption zum Staatsprin­zip

Wer dagegen ankämpft, wird verfolgt und aus dem Land geworfen. Am Sonntag wird ein neues Staatsober­haupt gewählt.

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Das Gruppenbil­d der ehemals 24 Kandidaten, die gern Präsident oder Präsidenti­n in Guatemala werden wollten, ähnelt einem Fahndungsf­oto. Drei der Bewerber – Thelma Aldana, Zury Ríos Montt und Mario Estrada – sind inzwischen mit einem dicken roten Strich übermalt. Die drei können aus sehr unterschie­dlichen Gründen am Sonntag nicht ins Rennen um das höchste Amt in dem Land gehen, an dessen Spitze gewöhnlich eher Mafiosi als Politiker stehen.

Gegen mehrere andere Kandidaten ermittelte die Justiz monatelang. Einer stand wegen des Verdachts des Kinderhand­els im Visier der Fahnder, der andere wegen Bestechung, ein weiterer wird wegen Schulden in den USA per Haftbefehl gesucht. Auch für die Sozialdemo­kratin Sandra Torres, eine der Favoritinn­en, war lang unklar, ob ihr die Kandidatur wegen des Verdachts illegaler Wahlkampfs­penden verweigert werde. Inhalte wurden in dem Wahlkampf kaum diskutiert, vielmehr ging es vor allem darum, Rechnungen zu begleichen und Mitbewerbe­r kaltzustel­len.

Schon zu Beginn des Jahres hörte man verstörend­e Nachrichte­n aus dem zentralame­rikanische­n Staat. Der scheidende Staatschef Jimmy Morales führte einen privaten Feldzug gegen die „UNO-Kommission gegen Straffreih­eit in Guatemala“(CICIG), nachdem diese half, Sohn und Bruder des Präsidente­n wegen Steuerhint­erziehung und Geldwäsche vor Gericht zu bringen.

Die CICIG ist eine vor zwölf Jahren vom damaligen sozialdemo­kratischen Präsidente­n Álvaro Colom ins Land geholte Institutio­n. Sie sollte helfen, eine unabhängig­e Justiz aufzubauen, Ermittlung­sverfahren zu modernisie­ren und vor allem die Staatsanwa­ltschaft bei der Verfolgung von Menschenre­chtsverlet­zungen im Zusammenha­ng mit dem Bürgerkrie­g und der Verfolgung von Korruption zu unterstütz­en. Wie fast alle Länder der Region litt Guatemala an einer fast völligen Straflosig­keit. Neun von zehn Delikten wurden nicht verfolgt.

Die internatio­nal besetzte Kommission aus erfahrende­n Richtern, aufstreben­den Anwälten, Ermittlern, Abhörtechn­ikern und Fahndern wurde zum Schrecken der Machtelite. Die CICIG hat mittelbar Präsidente­n wie Morales’ Vorgänger Otto Pérez Molina wegen Korruption und den früheren Diktator Efraín Ríos Montt wegen Menschenre­chtsverlet­zungen vor Gericht und ins Gefängnis gebracht.

Als die CICIG aber gegen Morales’ Familie und dann gegen ihn selbst ermittelte und die Justiz die Aufhebung seiner Immunität wegen illegaler Parteienfi­nanzierung verlangte, verging dem einstigen TV-Komiker und evangelika­len Prediger der Spaß. Er schmiss die 170 Mitglieder der Kommission aus dem Land.

Morales hat auch dafür gesorgt, dass Thelma Aldana, eine der bekanntest­en Korruption­sbekämpfer­innen und zugleich aussichtsr­eiche Kandidatin von der Präsidente­n wahl ausgeschlo­ssen wurde. Die frühere Generalsta­atsanwälti­n, die gute Chancen zumindest auf den Einzug in die Stichwahl am 11. August hatte, darf nicht antreten, weil gegen sie wegen Urkundenfä­lschung, Unterschla­gung und Verstoß gegen Zollbestim­mungen ermittelt wird. Aldana nennt die Vorwürfe konstruier­t.

Sie hatte als Staatsanwä­ltin gemeinsam mit der CICIG ein Ermittlung­sverfahren gegen Morales eingeleite­t, doch das Parlament weigerte sich, seine Immunität aufzuheben. Aldana, die aus Angst vor einer Festnahme in El Salvador lebt, spricht von „kriminelle­n Strukturen“in Politik und Justiz, die Guatemala an den Rand der Unregierba­rkeit bringen wollten.

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BILD: SN/AP Einst aussichtsr­eichste Kandidatin, jetzt im Exil: Thelma Aldana.

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