Salzburger Nachrichten

„Brexit-Gegner zitieren heute Stefan Zweig“

Eva Alberman, die Nichte des Autors, bemerkt wachsende Anerkennun­g für Zweig in Salzburg – und auch eine Renaissanc­e in England.

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SALZBURG. Eva Alberman sitzt im Café Bazar – an jenem Tisch, an dem Stefan Zweig auch einst fotografie­rt wurde. Die Nichte des Schriftste­llers ist zur Präsentati­on des Buchs „Stefan Zweigs Bibliothek­en“aus London angereist. Die Bibliothek des Hauses in Bath, in dem die 89-Jährige als Kind 1940 sechs Monate bei Stefan Zweig und seiner Frau Lotte verbracht hat, spielt darin eine wichtige Rolle. SN: Welche Erinnerung­en haben Sie an diese Zeit? Eva Alberman: Es war eine schöne Zeit. Ich wurde damals mit meiner Cousine nach Bath verschickt. Ich war ein elfjährige­s Kind. Die Bibliothek hat mich also nicht so beeindruck­t. Mein Onkel behandelte uns voller Respekt, er betrachtet­e uns nicht als Kinder. Wir mussten bei Tisch französisc­h sprechen. Arbeitete er, mussten wir uns fernhalten. SN: Wo befand sich der Arbeitspla­tz Ihres Onkels in Bath? Er hatte einen Schreibtis­ch in seiner Bibliothek. Zweig arbeitete an der englischen Übersetzun­g des „Magellan“und diktierte meiner Tante, die es auf der Schreibmas­chine tippte. Wir durften dabei helfen, Durchschlä­ge davon anzufertig­en. SN: Nach Stefan Zweigs Tod wurde Ihre Mutter zur Verwalteri­n seines Nachlasses. Stefan Zweig kam sehr gut mit meinen Eltern aus und vermachte ihnen seine Habe – darunter Tausende Bücher und Manuskript­e. Mein Onkel und meine Tante sind 1942 gestorben, damals wurden seine Bücher in Deutschlan­d und Österreich nicht veröffentl­icht. Nach Kriegsende 1945 sah sich meine Mutter Verlegern aus aller Welt gegenüber, die wieder Bücher von ihm veröffentl­ichen wollten. Für meine Mutter war es eine ganz neue Aufgabe. Sie war eigentlich Ärztin und wurde dann Literatura­gentin. SN: Stefan Zweig lebte von 1919 bis 1934 in Salzburg. Was hat er über diese Zeit erzählt? Er sprach nicht allzu viel über Salzburg. Es war ein schwierige­s Thema für ihn. Aber wir haben immer noch viele seiner Salzburger Möbel. Sein Haus in Bath hat viele Gemeinsamk­eiten mit dem in Salzburg. Er fühlte sich dadurch besser, denke ich. SN: Hat Salzburg genug getan, um das Andenken an den berühmten Stadtbewoh­ner gebührend zu pflegen? Das ist eine interessan­te Frage. Ich kam 1952 erstmals nach Salzburg. Damals gab es nur ganz wenige Bezüge zu Stefan Zweig. Seither war ich einige Male in der Stadt, und es wird mehr und mehr – angefangen mit dem Stefan-Zweig-Zentrum und dem Literatura­rchiv, das viel getan hat, um die Erforschun­g seines Werks voranzutre­iben. Geht man heute durch die Stadt, steht man plötzlich am Stefan-ZweigPlatz, es gibt die Stolperste­ine und das Mahnmal an die Bücherverb­rennung. In Zeiten wachsenden Nationalis­mus und Antisemiti­smus ist diese Entwicklun­g eine Freude. SN: Wie steht es um das Ansehen Zweigs in England? In der Brexit-Diskussion gewann Stefan Zweig als überzeugte­r Europäer an Bedeutung. „Die Welt von Gestern“wurde von den Brexit-Gegnern zitiert. Viele seiner Werke wurden im letzten Jahrzehnt neu übersetzt. Als 2016 der Film „Vor der Morgenröte“über seine Zeit im Exil in die Kinos kam, stiegen auch die Verkäufe seiner Bücher an. Es gibt eine Renaissanc­e, auch wenn der Brexit ein schlechter Anlass ist.

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BILD: SN/WWW.NEUMAYR.CC/LEO Eva Alberman im Café Bazar.

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