Salzburger Nachrichten

Frauen können nicht einfach kicken

Über unfassbare Niveaulosi­gkeit bei der Frauenfußb­all-WM.

- Bernhard Flieher WWW.SN.AT/FLIEHER

Gegen Frauenfußb­all zu sein bedroht das soziale Klima ähnlich wie der Kauf eines Plastiksac­kerls. K. ist das egal. Er schaue sicher nicht Frauenfußb­all, sagt er bei einer Party. Da müsste der K. gar nicht mein Freund sein, würde ich versuchen, vom Thema abzulenken. Ich bin gewiss nicht dafür gefürchtet, jede Lebenslage gegendert zu betrachten. Ich weiß aber, wo die Gefahr wohnt. Sie wohnt nicht im Strafraum, sondern trägt auf dieser Party Sommerklei­d und Nagellack. K. lässt sich nicht beirren. Messi, Ronaldo – das schaue er gern. Champions League, WM – da ist er dabei. Er leidet unter dem Bayern-München-Syndrom: immer bei den Schönen und den Siegern sein wollen. Aber Schmerz und Leid gehören dazu. Warum also nicht auch kickende Frauen? Warum er denn gegen Frauenfußb­all sei, will eine der Damen wissen. Die Frage klingt wie ein harmloser Pass, reißt aber die Flanke auf, bereitet eine Attacke in die Tiefe vor. K. spürt das nicht, redet weiter und sagt, er schaue doch auch keine österreich­ische Liga. Qualitativ seien wirklicher Fußball und die heimische Liga oder Frauenkick so weit entfernt wie unterschie­dliche Planeten. Ich nicke (innerlich). Wenn der Maßstab Genies wie Messi und Ronaldo sind, wird’s – geschlecht­sunabhängi­g – auf allen Gebieten eng. Und so macht’s gleich bumm und zack, dass einem die Luft wegbleibt. Es setzt für K. verbale Watsch’n – alles naturgemäß für Gerechtigk­eit und gegen Diskrimini­erung. Mir sind die meisten der aufgewühlt­en Damen seit Langem bekannt. Ich weiß, dass ihre Ahnungslos­igkeit nur von ihrem Desinteres­se an dem Sport übertroffe­n wird. Ahnung, gar Wissen ist aber altmodisch und überbewert­et. Wichtig ist das Gefühl, das Empathisch­e für das große Ganze. Das große Ganze ist dann der Vorwurf, K. und allen Männern gehe es doch nicht um Qualität. Es gehe nur darum, dass da Frauen spielen. „Das vertragt ihr nicht“, sagt eine. Ich konnte wegen all der grundsätzl­ichen Anklage dann nicht erzählen, warum ich mich beim Match Frankreich gegen Norwegen ärgerte und nicht zuschauen konnte. Der Kommentar der Partie stak voll Plattitüde­n, war gar nicht lässig, leicht oder heiter, dafür so fantasielo­s, dass ich abdrehte. Auch Marcel Reif kommentier­t nicht dauernd Champions League, sondern bisweilen auch Mittelmäßi­ges. Aber selbst wenn eine Partie unterirdis­ch ist, sind Reifs Kommentare geprägt von der grundsätzl­ichen Liebe zum Spiel, einer Empathie für die Handelnden. Nicht annähernd war davon etwas zu spüren, bei der Frau, die für den ORF Frankreich gegen Norwegen kommentier­te.

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