Salzburger Nachrichten

Selbst coole Notenbanke­r brauchen manchmal ein wenig Trost

Die Politik, die Mario Draghi und Jerome Powell machen, könnte unterschie­dlicher nicht sein. Lorbeeren gibt es für keinen von beiden.

- WWW.SN.AT/WIENS

So schnell kann es gehen. Noch vor nicht allzu langer Zeit konnten sich Notenbanke­r öffentlich­er Huldigunge­n als Retter der Weltwirtsc­haft kaum erwehren. Mittlerwei­le müssen sie sich dies- und jenseits des Atlantiks viel Kritik anhören. In den USA ist Jerome Powell gerade einmal eineinhalb Jahre als Chef der Notenbank im Amt. Aber er hat schon mehrfach zu spüren bekommen, was US-Präsident Donald Trump von deren Unabhängig­keit hält – reichlich wenig. Trump wird nicht müde, nach Zinssenkun­gen zu rufen – und er erhöht angesichts der 2020 anstehende­n Wahlen die Schlagzahl.

Erst vor wenigen Tagen setzte Trump wieder einen seiner berüchtigt­en Twitter-Kommentare ab: „Der Leitzins der Fed ist viel zu hoch, zusätzlich zur lächerlich­en quantitati­ven Straffung. Sie haben keine Ahnung.“Trump könnte zwar sein Ziel erreichen und die Fed tatsächlic­h dazu bringen, die Zinsen zu senken. Allerdings täte sie das dann nur, um zu verhindern, dass die Konjunktur ganz abschmiert und die Wirtschaft in den USA in die Rezession schlittert. Ein Grund dafür ist nicht zuletzt Trumps Handelspol­itik, die dunkle Schatten auf die Weltwirtsc­haft wirft, je mehr sich der Konflikt mit China verschärft. Das war nicht der Plan von Trump – er hätte sich niedrige Zinsen gerne als Rückenwind für seine Politik gewünscht.

Mario Draghi ist in seinem letzten Jahr als Präsident der Europäisch­en Zentralban­k mit ganz anderen Vorwürfen konfrontie­rt. Längst vergessen ist, dass er ein Zerbrechen der Eurozone verhindert hat. Ihm hält man vor, dass er Euroländer und Banken zu lang am Tropf des billigen Geldes gehalten hat und Ende Oktober als der Präsident abtreten wird, der in seiner achtjährig­en Amtszeit nie die Zinsen erhöhte.

Als Notenbanke­r muss man ein gefestigte­r Charakter sein, dem Querschüss­e aus der Politik nicht nahegehen. Aber vermutlich kann auch ein Währungshü­ter ab und zu Trost brauchen. Den können beide Herren aus Aussagen ihrer Vorgänger in Washington und Frankfurt schöpfen. Powell etwa könnte sich an die Worte von Wim Duisenberg, dem ersten Präsidente­n der EZB, erinnern. Er galt als unkonventi­oneller Notenbanke­r, die wiederkehr­enden Aufforderu­ngen vonseiten der Politik, die Zinsen zu senken, quittierte der Niederländ­er einmal so: „Ich höre Sie, aber ich höre nicht auf Sie.“

Draghi, der für seine unkonventi­onelle Geldpoliti­k erst Lob einheimste und jetzt Watschen kassiert, könnte sich dagegen auf Ben Bernanke berufen, der die USA als Fed-Chef durch die Finanzkris­e steuerte: „Eine der Lektionen der Depression war – das hat Franklin Roosevelt gezeigt – dass, wenn das Orthodoxe nicht funktionie­rt, man etwas Neues ausprobier­en muss.“

Auch wenn Notenbanke­r von Berufs wegen nach außen hin stets Gelassenhe­it ausstrahle­n, sieht es tief in ihrer Seele vielleicht anders aus. Die kürzlich verstorben­e Ex-Fed-Vizepräsid­entin Alice Rivlin formuliert­e das Jobprofil der Währungshü­ter einmal so: „Die Aufgabe jeder Zentralban­k ist, sich Sorgen zu machen.“

Für Konflikte mit Politikern hielt Bernanke übrigens auch einen Rat für seine Kollegen bereit: „Wenn zwei Menschen immer einer Meinung sind, ist einer von beiden überflüssi­g.“

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Richard Wiens

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