Frauenstreik treibt Tausende auf die Straße
Den Schweizerinnen geht die Geduld aus. Im ganzen Land legten am Freitag Frauen die Arbeit nieder. Sie kämpfen für Gleichberechtigung.
BERN. Regina Bühlmann muss schreien. Denn rund um sie herum ist es laut. Sehr laut. „Es ist überwältigend. Wir hatten gerade die ganze Straße voll mit Verkäuferinnen. Jetzt sind Mütter mit Hunderten Kinderwagen unterwegs“, brüllt die Berner Stadträtin und Gewerkschafterin ins Telefon. Sie hat den Schweizer Frauenstreik am Freitag mitorganisiert. Dieser wurde ein voller Erfolg. Hunderttausende Frauen nahmen laut den Organisatoren an Aktionen im ganzen Land teil. Der Forderungskatalog ist lang: Die Frauen wollen gleichen Lohn für gleiche Arbeit: Schweizerinnen verdienen heute im Schnitt noch immer 18 Prozent weniger als Männer. Sie fordern mehr Investitionen in Kinderkrippen. Es soll transparente Lohnanalysen mit Kontrollen und Sanktionen geben und einen besseren Kündigungsschutz für Mütter nach der Karenz. Sie wehren sich gegen Sexismus am Arbeitsplatz und die ungerechte Verteilung unbezahlter Arbeit. Die Schweiz ist beim Thema Frauenrechte alles andere als ein Vorreiter. Erst seit 1971 dürfen Frauen wählen, im Kanton Appenzell sogar erst seit 1990.
Die Aktionen am Freitag waren vielfältig: Neben Menschenketten, Sternmärschen und Arbeitsniederlegungen in den Betrieben gab es auch Pfannenkonzerte, Autocorsos und Kickbox-Training im Park. Eine mobile Klitoris wanderte bei einer Demonstration durch Zürich, ein Riesentampon durch Bern – um auf die hohe Besteuerung von Hygieneartikeln aufmerksam zu machen. Auch im Nationalrat wurde gestreikt, wenn auch nur eine Viertelstunde lang. Unternehmen solidarisierten sich und gaben Mitarbeiterinnen früher frei, damit diese an Kundgebungen teilnehmen konnten. Denn: Vom Streikrecht Gebrauch machen durften die Schweizerinnen offiziell nicht. Viele ließen sich davon aber nicht abschrecken und streikten trotzdem, andere nahmen sich den Tag frei.
Vorbild für die Aktion ist der Frauenstreik von 1991. Damals protestierte eine halbe Million Frauen. „Seitdem hat sich einiges verbessert. Aber es gibt immer noch genügend Streikgründe. Das Gleichstellungsgesetz ist 28 Jahre alt und wir haben noch immer keine Lohngleichheit“, erklärt Bühlmann. „Es dauert zu lange. Die Frauen sind wütend und ungeduldig. Es muss endlich etwas passieren, deshalb sind so viele Leute auf der Straße.“