„Ich genieße es, Fußball zu arbeiten“
Der Salzburger Markus Hoffmann schaffte in seinem ersten Jahr als Co-Trainer von Union Berlin den Sprung in die Fußball-Bundesliga.
Vor sieben Jahren wechselte Markus Hoffmann vom Westligisten Seekirchen zum Schweizer Topclub FC Basel. Der heute 46-Jährige machte sich schnell einen guten Namen und feierte mit Basel Erfolg um Erfolg. Nach Stationen bei Spartak Moskau, noch einmal Basel und St. Gallen nahm der ehemalige Zweitliga-Stürmer im Sommer 2018 ein Angebot des deutschen Zweitligisten Union Berlin an. Assistent Hoffmann und der Schweizer Cheftrainer Urs Fischer schafften auf Anhieb den Aufstieg in die Bundesliga. Während seines Heimaturlaubes nahm sich Hoffmann Zeit, um mit den „Salzburger Nachrichten“die vergangenen ereignisreichen Jahre Revue passieren zu lassen. SN: Union Berlin hat sich in den vergangenen Jahren im Spitzenfeld der 2. Liga etabliert. Wurde der Aufstieg vom Verein gefordert? Markus Hoffmann: Nein. Der Club hat im vergangenen Sommer einen großen Umbruch vollzogen. Nicht nur das Trainerteam und der Sportdirektor wurden ausgetauscht, sondern auch ein Großteil der Mannschaft. Dadurch war das Ziel schwer zu definieren. Die Vorgabe vom Verein war, in den nächsten beiden Jahren um den Aufstieg mitzuspielen. SN: Während alle Ersatzspieler und Betreuer nach dem fixierten Aufstieg auf das Spielfeld gestürmt sind, sind Sie stoisch auf Ihrem Sessel sitzen geblieben. Warum? In diesem Moment habe ich eine unglaubliche innerliche Genugtuung verspürt. Kein Mensch hat geglaubt, dass wir es schaffen. Ein Schweizer und ein Österreicher haben es in Deutschland zu Beginn sehr schwer. Die Deutschen haben ein sehr großes Selbstbewusstsein bezüglich ihres Wissens über Fußball. Und dann kommen zwei für sie Unbekannte und wollen ihnen erklären, wie man erfolgreich Fußball spielt. Letztendlich war es aber so, dass sie einen Schweizer und einen Österreicher gebraucht haben, um endlich etwas zu gewinnen. Und das habe ich nach dem Schlusspfiff auf der Trainerbank genossen. SN: Wie kann der krasse Außenseiter Union Berlin den Klassenerhalt in der Bundesliga schaffen? Ich sehe gar keine Chance. Das ist die große Challenge. Über die Mentalität im eigenen Stadion wollen wir die großen Teams ärgern. Wir wollen eine ekelige Mannschaft sein, die dem Gegner über 90 Minuten keine Ruhe lässt. Wir dürfen nie glauben, dass wir mit den Topteams mitspielen können, dafür ist die Konkurrenz zu stark. Unsere Mannschaft hat im Pokal in Dortmund aber schon bewiesen, dass sie große Teams ärgern kann. SN: Sie arbeiten seit sieben Jahren als Co-Trainer im Profibereich. Würden Sie nicht gern als Cheftrainer arbeiten? Nein. Ich weiß, was ich kann und was ich nicht kann. Und ich weiß auch ganz genau, was ich will und was nicht. Ich will nicht tausend Mal dem ganzen Vorstand Rede und Antwort stehen. Oder 7000 Fans, die sich nicht mit Fußball beschäftigen, erklären, warum man was macht. Als Cheftrainer hat man viele Aufgaben abseits des Platzes. Ich will Fußball arbeiten und genieße es auch, dass ich unerkannt durch Berlin gehen kann. SN: Was sind Ihre Aufgaben als Co-Trainer? Ich arbeite viel im Hintergrund und halte das ganze Konstrukt zusammen. Ich arbeite mit Spielern auch mal nach dem Training, analysiere Spiele oder bereite einen Plan für das nächste Spiel vor. Teilweise dauern meine Tage bis zu 16 Stunden. Vor allem die Videoanalyse nimmt sehr viel Zeit in Anspruch. SN: Nach Basel und Moskau leben Sie auch in Berlin ohne Ihre Frau und Ihre zwei Kinder. Das ist mein großer Vorteil: Auf mich wartet keiner zu Hause, ich bin rein zum Arbeiten in Berlin. Ich bin in Berlin 24 Stunden am Tag erreichbar und gebe alles für den Verein. Wenn ich dann aber einen oder zwei Tage freihabe, dann bin ich nur für meine Familie da. In dieser Zeit braucht mich niemand anrufen oder mir ein Mail schicken. SN: Wie schafft man es, so lange von seiner Familie getrennt zu sein? Meine Frau kennt die Situation, mit dem Fußball zu leben. Ich habe vorher auch gearbeitet und war Trainer in Seekirchen. Und wenn man seinen Job in der Regionalliga ernst nimmt, dann ist dieser auch sehr zeitintensiv. Man trainiert vier Mal in der Woche, führt Verhandlungen mit Spielern oder beobachtet Gegner in Tirol und Vorarlberg. In Berlin geht es jetzt leichter als zuvor in Basel oder Moskau. Die Flugverbindung ist sehr gut. Ich bin in dem einen Jahr sicher 60 Mal nach Salzburg geflogen. SN: Sie leben den Traum vieler Regionalliga-Trainer. Wie haben Sie den Sprung in das Profigeschäft geschafft? Ich habe die A-Lizenz gemacht und war Westliga-Trainer. Trotzdem bin ich am Platz gestanden und hatte das Gefühl, dass ich gar nichts über Fußball weiß. Ich habe mir zwei Wochen Urlaub genommen, ein Wohnmobil ausgeliehen und bin an den Tegernsee gefahren, wo der FC Basel ein Trainingslager absolvierte. Ich habe im Wohnmobil geschlafen und war bei jedem Training dabei. In dieser Zeit habe ich höchstwahrscheinlich mehr gelernt als bei manchem Trainerkurs. SN: Trotzdem waren Sie noch weit vom Profibereich entfernt. Ja natürlich. Da hatte ich einfach das nötige Glück. Als Heiko Vogel, den ich schon länger kannte, in Basel Trainer wurde, hat er mich zur letzten Meisterschaftswoche eingeladen. Ich bin hingefahren, hätte aber nie gedacht, dass er mir einen Job anbietet. Am zweiten Tag sind wir essen gegangen und er hat mich gefragt, ob ich es mir vorstellen könnte, unter ihm als Co-Trainer zu arbeiten. Ich war total perplex. Es war aber schnell klar, dass ich diese Chance nutzen muss. SN: Sie haben in den vergangenen Jahren viele Highlights erlebt. Welches ist Ihnen besonders in Erinnerung geblieben? Gegen Chelsea oder Bayern München mit Basel in der Champions League zu gewinnen – das sind natürlich besondere Momente. Oder Tottenham im Viertelfinale aus der Europa League zu werfen. Das Emotionalste war aber sicherlich der Aufstieg mit Union Berlin. Im Rückspiel sind die 22.000 Fans in der zweiten Halbzeit gefühlt am Platz gestanden. So eine Atmosphäre habe ich noch nie erlebt und das werde ich auch nie vergessen. SN: Was macht Union Berlin Ihrer Meinung nach zum Kultclub? Die Fans. Es gibt immer wieder Vereine mit extremen Fangruppen, aber bei Union ist es nicht eine Fangruppe, sondern das ganze Stadion. Nach dem Aufstieg ist ein Fan zu mir gekommen und hat gesagt: „Wir spielen gegen die Hertha in der Bundesliga. Jetzt weiß ich, dass mein Leben einen Sinn macht.“Oder ein Mann war trotz der Hochzeit seiner Tochter bei einem normalen Meisterschaftsspiel. Und für die Familie war das ganz normal. Die Fans machen Union Berlin zu einem außergewöhnlichen Club. SN: Ihr Ex-Verein Seekirchen hat gerade die beste Saison der Vereinsgeschichte hinter sich. Verfolgen Sie die Regionalliga West noch? Natürlich. Ich schaue mir jede Woche die Ergebnisse an und bin gut informiert. Ich war überrascht, dass Thomas Hofer Anif verlässt. Und bin gespannt, wie sich Raphael Ikache, der neben meinen Eltern in Wals wohnt, in Anif machen wird.