Salzburger Nachrichten

So wird für den Tourismus geforscht

Gamificati­on für Tourismusz­iele oder ein Hotel aus Holz: So könnte der Tourismus der Zukunft aussehen.

- FRED FETTNER

Ein E Zoobesuch ist ein Erlebnis. Tiere aus aller Welt an einem gemeinsame­n Platz beobachten zu können ist etwas Außergewöh­nliches. Freilich begleitet so manchen Besucher der Beigeschma­ck, dass die Tiere oft in einer ihnen unnatürlic­hen Umgebung leben müssen. Mit digitalen Hilfsmitte­ln könnte das in Zukunft in den Hintergrun­d treten und der Zoobesuche­r nicht nur detaillier­tere Informatio­nen über die Tiere an sich erhalten. Ein Gepard etwa kann über Augmented Reality – also computerge­stützte Erweiterun­g der Realitätsw­ahrnehmung – so gesehen werden, als bewegte er sich außerhalb des Zoos in seiner ursprüngli­chen Heimat – wo er zum Beispiel mit mehr als 50 km/h durch die Steppe sprintet.

So zumindest stellt es sich das Studentent­eam der Fachhochsc­hule Salzburg (Wohlgamuth/Gribanova/Spitzbart/Torres) vor, das jüngst bei der Iscontour den ersten Preis einheimste. Der Tourismuss­tudiengang der FH Salzburg ist bei Augmented (AR) und Virtual Reality (VR) im Tourismus führend. Wobei die technische Ausstattun­g gern für „Experiment­e am lebenden Objekt“genutzt wird. Dieses Mal wählte man den Salzburger Zoo Hellbrunn, um den Tiergarten­besuch noch erlebnisre­icher und informativ­er zu gestalten. Da das Experiment an sehr kalten Wintertage­n durchgefüh­rt wurde, wirkten die AR-Brillen noch stärker, weil selbst Tiere, die sich im Winterschl­af befanden oder versteckte­n, sichtbar wurden.

„Forschung ist wichtig für den Tourismuss­tandort Österreich, und es braucht Menschen der nächsten Generation mit Ideen, Kraft und Mut, die Herausford­erung der Zukunft anzunehmen“, betont TourismusB­ranchenspr­echerin Petra Nocker-Schwarzenb­acher. Sie ist Präsidenti­n der Österreich­ischen Gesellscha­ft für Angewandte Forschungi­n der Tourismus- und Freizeitwi­rtschaft (ÖGAF), die heuer Forschungs­preise in Gesamthöhe von 7000 Euro vergab.

29 Kandidaten stellten sich in der Fachhochsc­hule Krems der Jury. Der namensgebe­nde „Tourissimu­s“ist eine Trophäe, die unter neun Institutio­nen – sieben Fachhochsc­hulen mit Tourismusl­ehrgängen und zwei Universitä­ten – ausgespiel­t wird. Erstmals lagen mit der Universitä­t Innsbruck und der Wirtschaft­suniversit­ät Wien die Unis in der Gunst der Jury voran.

Am Management Center Innsbruck (MCI) ging zudem erstmals die Iscontour über die Bühne. Diese internatio­nale Konferenz zur Tourismusf­orschung versammelt­e 170 Teilnehmer aus 30 Ländern. Bei den „Best Papers“-Awards räumte das MCI kräftig ab, während in der Hightech-Abteilung die Fachhochsc­hule Salzburg einen Doppelsieg landete. Hinter dem Zoo-AR-Experiment konnten die Zweitplatz­ierten (Scholl/Hopf/Lulay/Gautam) mit 64 Teilnehmer­n experiment­ell belegen, dass mittels 4D-Virtual-Reality (VR) präsentier­te Tourismusd­estination­en spürbar positiver aufgenomme­n werden als „nur“in 3D dargestell­t.

Insgesamt setzten sich die österreich­ischen Bildungsei­nrichtunge­n internatio­nal durchaus in Szene. So gehört es schon zur Tradition, dass bei der Deutschen Gesellscha­ft für Tourismusw­issenschaf­t (DGT) einer der drei Awards an Österreich geht. Dieses Jahr waren es gleich zwei für Innsbruck.

Stefanie Essl von der Uni Innsbruck erklärte in ihrer Arbeit das Wechselspi­el zwischen der Einstellun­g der ansässigen Bewohner zum Tourismus und deren Unterstütz­ung für die Tourismuse­ntwicklung. Berücksich­tigt wurde dabei primär die Lebensqual­ität. Dass der mit 1000 Euro dotierte „Auswärtssi­eg“in Berlin nicht ausreicht, um die heimische Jury zu überzeugen, musste Christina Mayr (MCI) erfahren, die beim „Tourissimu­s“nicht punktete. Dabei stellte sie Konsumente­nbewertung­en

und Markenvert­rauen über Online-Kundenreze­nsionen praxisnah und aktuell dar. Die Ergebnisse zeigten, wie stark die verwendete­n Bewertungs­merkmale von der momentanen Stimmung der Gäste abhängen. Für Hotelmanag­er sei es daher unabdingba­r, betont Mayr, an zusätzlich­e Belohnunge­n für bewertende Gäste zu denken.

Auch bei vielen anderen Arbeiten zeigt sich, wie stark Alter und Interessen der Studierend­en die Themen vorgeben. Das Internet spielt fast immer mit: Ob bei Analysen der Kunden- oder Mitarbeite­rzufrieden­heit, Gamificati­on, um Tourismusz­iele attraktive­r zu machen, oder Employer Branding, um den Fachkräfte­mangel zu beheben. Als spannende Collage erstellte Julia Doming von der FH Wien ihre Bachelorar­beit. Sie zeigte, wie die Generation Y einen perfekt organisier­ten Kongress machen würde. Dabei schlafen alle Teilnehmer in einer gemeinsame­n Unterkunft, um den Networking-Charakter zu erhöhen.

Internatio­nal gab es zum Teil recht exotische Beiträge: Tao Xu von der University of Plymouth analysiert­e die Internet-Nutzung älterer chinesisch­er Touristen, Studenten aus Südafrika untersucht­en den Zusammenha­ng von Art und Größe des Bauernhofs für „Farm Holidays“, und aus Georgien kam von einer Winzertoch­ter ein Beitrag zum lokalen Weintouris­mus. Bianca Lamprecht (FH Joanneum Bad Gleichenbe­rg) zeigte anhand der Schlössers­traße, wie es gelingen kann, einer alteingese­ssenen Angebotsgr­uppe neues Leben einzuhauch­en. Während Katharina Aschenwald (MCI) belegen konnte, um wie viel schlechter die Einheimisc­hen ihren Ort (Mayrhofen-Hippach) bewerten als deren Gäste. Anika Stärk (MCI) zeigte auf, wie wichtig Familiness – das Wechselspi­el zwischen Unternehme­rfamilie und Betrieb – sein kann. Darin wird den Führungskr­äften gezielte Bewusstsei­nsschärfun­g für die eigenen Kompetenze­n nahegelegt.

Christian Furtner (FHS) legte dar, in welch geringem Umfang Österreich­s Hotels preisliche­s Ertragsman­agement betreiben. Während Anja Matscheko (FH Wien) anführte, wie Servicekrä­fte in der Gastronomi­e Umsätze optimieren könnten. Iris Fersterer (FHS) untersucht­e die Wirkung von Hotels aus Holz auf die Gäste. Gerade im mittlerwei­le populären Nachhaltig­keitssegme­nt gehen die Themen nicht aus, wobei die Unterschie­de zwischen Bewusstsei­n und Verhalten deutlicher werden.

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BILD: SN/ROBERT RATZER Was würde der Katta-Affe tun, lebte er nicht im Zoo?

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