Ex-McDonald’s-Boss rechnet ab
„Geht nicht hin! Schon gar nicht mit euren Kindern. Nicht einmal ausnahmsweise.“Der einstige Chef von McDonald’s Österreich erklärt, warum Fast Food süchtig macht und die Gesundheit zerstört.
Harald Sükar war 13 Jahre lang Manager bei McDonald’s und bis 2006 ÖsterreichChef. Mit Leidenschaft und aus Überzeugung, wie er sagt.
SN: Warum dann der Sinneswandel nach 13 Jahren? Jetzt schreiben Sie in Ihrem Buch, dass Fast Food süchtig macht und Kindesmisshandlung ist.
Harald Sükar: Begonnen hat es mit meiner eigenen Gesundheit. Ich hatte 110 Kilo und war – gelinde gesagt – in keinem guten Zustand. Daher habe ich vor zwei, drei Jahren begonnen, nachzudenken: Was meinen Körper dazu gebracht hat dorthinzukommen. Und was ich tun muss, um wieder in einen normalen Zustand zu kommen. Da war schnell klar, dass all die Ingredienzien, die für unseren Körper schädlich sind – ob Zucker, Fett, ungesättigte Fettsäuren – im Fast Food enthalten sind.
SN: Auch in Kuchen sind Fett und Zucker, was ist so schlecht an Fast Food?
Fast Food in der klassischen Definition – schneller Zugang zu Essen – ist nicht schlecht, ich kann so auch Salat anbieten. Die großen Ketten wie McDonald’s aber bieten Fake Food, das sind alles Nahrungsmittel, die über keinerlei hochwertige Nährstoffe verfügen, keine Verbesserung für den Körper bringen, sondern im Gegenteil. Das größte Problem ist der massive Anteil an Zucker. Ein Big Mac samt Pommes, 0,4 Litern Cola und einem kleinen Eisbecher hat 119 Gramm Zucker – ohne Ketchup. Die WHO empfiehlt für Jugendliche 25 Gramm am Tag. Das ist also fast ein Wochenbedarf. Und Zucker macht süchtig. Dazu kommt ein hoher Fleischkonsum, zu viel Salz und alles aus industrieller Landwirtschaft. Bei Kindern potenziert sich das Problem, weil die Geschmacksnerven erst ausgebildet werden. Wenn sie sehr früh mit Zucker und Geschmacksverstärkern in Berührung kommen, prägt das ihr ganzes Leben.
SN: Viele Kinder lieben McDonald’s.
Das ist der Marketingplan: Hast du die Kinder, hast du den Markt. Die Erwachsenen wollen, dass die Kinder Spaß haben. Das ist die eine Falle, die zuschnappt. Die zweite: Hab ich die Kinder gewonnen, habe ich sie auch als Erwachsene und dann wieder ihre Kinder. Das ist die Gefahr. Ich habe vor Kurzem einen jungen Vater vor dem Krankenhaus getroffen mit einem Packen Spielsachen. Ich hab ihn gefragt, ob er danach zum Kindergeburtstag müsse. Da hat er gemeint, sein Sohn sei im Krankenhaus. Ich hab gefragt, was er habe. Diabetes, meinte er. Das sei nicht so schlimm, hab ich gemeint, das könne man in den Griff bekommen. Ja, aber der Sohn sei erst drei Jahre.
SN: Aber warum ist Zucker im Fast Food schlechter als im Sonntagskuchen?
Weil man dort Zucker in Getränken zu sich nimmt, wo man das gar nicht als Zucker erkennt. Oder im Burger-Brötchen. Und in Fast Food wird Rübenzucker oft noch durch billigeren Zucker aus Maissirup ersetzt, der wirkt sich für den Körper noch negativer aus, wird aber in extremen Mengen verwendet, weil er so billig ist.
SN: Sie sprechen im Buch von Kindesmisshandlung. Dann waren Sie selbst straffällig.
Natürlich ist das überspitzt formuliert und auch nur ein Zitat. Aber wir Erwachsenen schaffen es schon nicht, den Zuckerkonsum im Griff zu haben. Wie sollen das Kinder schaffen?
SN: Aber wo bleibt die Eigenverantwortung der Kunden, der Eltern?
Genau mit dem Schmäh arbeitet die Industrie. Eine Sucht ist eine Sucht, wenn ich da drinnen bin, ist Eigenverantwortung nicht mehr möglich. Die große Lüge der Industrie ist, dann noch dem Kunden zu sagen, wenn du dich bewegst, kannst du Fast Food essen, so viel du willst. Studien zeigen, dass bei übermäßigem Fast-Food-Konsum trotz Sports kaum abgenommen wird. Es ist perfide, dem Kunden den schwarzen Peter zuzuschieben: Du bist halt zu schwach. Ich habe das selbst lange so argumentiert und es geglaubt. Da kann ich nichts schönreden.
SN: Ehemalige Kollegen sagen, Sie waren geradezu beseelt?
Ich war ein Musketier für McDonald’s. Ich wäre für das Unternehmen durch dick und dünn gegangen. Ich war Teil der Familie.
SN: Selbst im kritischen Buch klingt noch Bewunderung durch.
Kein anderer Konzern ist so perfekt organisiert. Kaum einer so erfolgreich. Wenn das Unternehmen die Macht, die es hat, nützen würde, um eine gesunde Welle zu starten, von ungesunder zu gesunder Nahrung zu wechseln, könnte es weltweit Vorreiter sein.
SN: Würde der Kunde gesundes Essen bei McDonald’s wollen?
Ja, das ist alles eine Frage des Marketing.
SN: Nach McDonald’s waren Sie weniger erfolgreich. Sie wurden Präsident des Fußballclubs GAK, der ging pleite. Ebenso wie Ihre eigene Pizzakette. Man könnte glauben, Sie wollen mit dem guten Ruf des einstigen Arbeitgebers Geld machen.
Wenn man böse denkt, ja. Allerdings wird man mit einem Buch heute nicht mehr reich. Pleite gegangen bin ich, weil ich hohe Haftungen für den GAK übernommen habe. GAK-Präsident zu werden war ein Fehler. Aber ich war seit meinem fünften Lebensjahr GAK-Fan. Als ich gefragt wurde, hat mein Ego falsch reagiert. Wenn man beruflich so weit oben ist wie ich damals, glaubt man irgendwann, es kann einem nichts passieren, man kann alles. Ich dachte, die Finanzprobleme des Clubs kann ich lösen. Das war nicht so. Ein Gerichtsverfahren wegen der Pleite läuft heute noch. Und ich bin auf das Existenzminimum gepfändet.
SN: Jetzt führen Sie ein Sozialprojekt?
Das Lokal Vollpension in Wien beschäftigt Mindestrentner als Kellner, die dazuverdienen müssen, um leben zu können. Die Arbeit holt sie auch aus sozialer Isolation. Es tut gut, das zu machen.
SN: Könnten Sie die Zeit zurückdrehen, würden Sie wieder für McDonald’s arbeiten?
Ich glaube, ja. Gesundheit wäre für mich aber mehr ein Thema.