Salzburger Nachrichten

Alpen à la Carte

Wie schmecken die Alpen? Die alpine Küche galt lange als hinterwäld­lerisch. Jetzt soll sie die Welt erobern.

- PETER GNAIGER

Haxe vom Steinbock – gebraten. Dazu Salat und selbst gebackenes Brot. Klingt nicht schlecht. Vor allem klingt es alpin. Die Speise wurde aber in keinem Salzburger Restaurant aufgetisch­t. Ötzi, die Gletscherm­umie, hat sie vor mehr als 5300 Jahre noch kurz vor seinem Tod verspeist. Das fanden Mumienfors­cher heraus. Ein paar Tage vor dem Steinbock machte er sich über einen Hirsch her – inklusive der Fliegen-Maden, von denen das Fleisch bereits befallen war. Maden sind in der gehobenen Küche heute übrigens auch wieder populär. 5300 Jahre später wurde in der Gastronomi­e erstmals ein Label namens Modern Austrian Cuisine – The Alpine Gourmet Style angepriese­n. Das erste Ausrufezei­chen setzte 2015 Andreas Döllerer in London, wo er eine Gruppe junger ehrgeizige­r Köche anführte. Mit von der Partie waren Thomas Dorfer, Philip Rachinger, Hubert Wallner und Richard Rauch. Sie tischten im Restaurant „The Magazine“Köstlichke­iten wie Wildhase mit Rauna und Freilandsc­hwein mit Biertreste­r auf. Besonders gut seien die Bsoffenen Kapuziner angekommen. Döllerer treibt den regionalen Gedanken in seinem Gollinger Restaurant schon seit Jahren im wahrsten Sinn des Wortes auf die Spitze. Seine beiden Menüs sind nach Wanderrout­en benannt. Es gibt eine „Göllüberqu­erung“ und ein „Oberjoch“. Die Überquerun­g des Gölls hat er aktuell unter das Motto „Bäume und Sträucher“gestellt. Normal ist Kochen beinharte Knochenarb­eit. Aber Döllerer hat dieses gewisse Etwas, das man Zauberei – wenn nicht gar Hexerei – nennen darf. Er hantiert lässig mit Bergampfer und Fichtenwip­felhonig, überstreut Lauchwurze­ln mit Tannennade­lstaub und überzieht „scharfe Karotten“mit Latschenki­eferlack. Mit dem Label Alpine Cuisine macht er auch seinen Anspruch klar: Es gab die Haute Cuisine, die Nouvelle Cuisine, zuletzt die Nordic Cuisine und jetzt soll endlich die alpine Küche dorthin gelangen, wo sie hingehört: an die Weltspitze.

Ein Gericht, das dieses Vorhaben wie kein anderes zum Ausdruck bringt, ist Döllerers „Gletschers­chliff“. Dafür verarbeite­t er Millionen Jahre alte Felsen, die vom Druck des Eises der Pasterze auf dem Großglockn­er zermahlen wurden, zu einem Teig. Diesen mineralhal­tigen Geschmack überträgt er beim Backen auf Fenchelkno­llen. So etwas muss einem erst einmal einfallen. Dieses Geschmacks­erlebnis ist natürlich weltweit einzigarti­g – also für Gourmets unbedingt eine Reise wert.

Das Wort „Reise“ist von Berufs wegen das Stichwort für Leo Bauernberg­er. Der Chef der Salzburger­LandTouris­mus GmbH (SLT) entwickelt­e schon vor Jahren die Via Culinaria, auf der Touristen in Salzburg kulinarisc­hen Erlebnisse­n frönen können. Gutes Essen, so Bauernberg­er, spiele bei Buchungsen­tscheidung­en eine immer größere Rolle: „Es ist ein entscheide­nder Imageträge­r. Nicht nur für den Tourismus, sondern für den gesamten Wirtschaft­sraum.“Diese Entwicklun­g wird seit März auch vom Bundesmini­sterium für Nachhaltig­keit und Tourismus (BMNT) unterstütz­t. Da präsentier­te es den „Masterplan für den Tourismus“, der Österreich internatio­nal als führende Kulinarik-Destinatio­n in Europa positionie­ren soll. Neben dem BMNT konnten auch die Österreich Werbung, alle Tourismuso­rganisatio­nen aus dem Alpenraum und Initiative­n wie das Netzwerk Kulinarik als Partner gewonnen werden.

Trotz des österreich­weiten Aufbruchs werde das Salzburger Land weiterhin die Vorreiterr­olle einnehmen, ist Bauernberg­er überzeugt. Neben Döllerer war es hier vor allem der Goldegger Gastronom und Politiker Sepp Schellhorn, der Pionierarb­eit für die regionale Küche geleistet hat. Er kocht fast ausschließ­lich mit Zutaten, die aus einem Umkreis von 120 Kilometern kommen. Weshalb sein Goldegger Restaurant den leicht zu merkenden Namen „r120“hat.

Schellhorn ließ neben seinem Restaurant auch Gemüse pflanzen und Erdkeller für die Lagerung im Winter ausheben. Sein Personal erntet inzwischen Zwiebeln, Mangold, Zucchini, Pastinaken, Kohlrabi, Stoppelgur­ken, Radieschen und vieles mehr. Ansonsten ist Schellhorn vor allem für InnereienS­pezialität­en bekannt.

Schade, dass Ötzi das „r120“nicht mehr erleben konnte. Ihm wäre am Ufer des Goldegger Sees allerhand erspart geblieben.

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BILDER: SN/A LA CARTE (3), MARCO RIEBLER Andreas Döllerer inmitten einiger Werke: Gletschers­chliff, Enzianstei­ne und gebackene Holunderbl­üten.
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