Salzburger Nachrichten

von Gudula Walterskir­chen

- Gudula Walterskir­chen

In Anbetracht des überrasche­nd ausgebroch­enen Wahlkampfs wegen einer plötzlich gebrochene­n Koalition zerbrechen sich derzeit die Wahlkampfs­trategen in den Parteibüro­s die Köpfe. Was bisher bekannt wurde, ist das übliche Spiel: Es geht um Wahltaktik, Parteiinte­ressen und Köpfe. Es geht um die Frage: Wie erringen wir die Macht?

Das Machtstreb­en ist für Parteien natürlich legitim, doch scheint die Frage ins Hintertref­fen zu gelangen, was man dann mit der Macht, mit dem Mandat der Wählerinne­n und Wähler anfangen will? Wie wäre es daher, sich zuerst über Themen und Inhalte Gedanken zu machen? Würde man das Wahlvolk ernst nehmen, so sollte man zuerst überlegen, was man inhaltlich anbietet, und nicht, wen man plakatiert.

Hier ein paar kostenlose Tipps, was Bürger derzeit beschäftig­t und was nicht: Interne Machtspiel­chen, emotionale Befindlich­keiten und offene Rechnungen interessie­ren nicht, sondern wirken abstoßend. Wesentlich­e Fragen, die dringend einer Lösung oder eines Konzeptes bedürfen, gäbe es hingegen genug. In Erwartung eines weiteren Hitzesomme­rs und zunehmende­r Schäden an der Natur ist etwa das Umweltthem­a sehr relevant: Wie kann hier das kleine Österreich einen Beitrag leisten? Beim Thema Verkehr fragt man sich, warum sich die Politik für einen Ausbau der Flughäfen Wien und Salzburg und neue Destinatio­nen starkmacht? Für noch mehr Umweltbela­stung? Wieso setzt man sich nicht wenigstens für eine EU-weite Besteuerun­g von Kerosin ein? Warum lässt man es zu, dass der Lkw-Transport wesentlich billiger ist als die Bahn, wodurch der Transport auf der Straße rasant steigt? Wieso plant man noch weitere Transitrou­ten? Wieso baut man dreispurig­e Autobahnen, auf denen dann nur 80 oder 100 km/h gefahren werden darf?

Gut geeignet für eine Wahlentsch­eidung ist auch das Thema Integratio­n und Zuwanderun­g. Es wäre sehr hilfreich, dieses endlich einmal sachlich zu diskutiere­n, denn es löst sich nicht von selbst auf: Welche und wie viele Menschen können und wollen wir aufnehmen? Wie kann Zuwanderun­g erfolgen, ohne dass der gesellscha­ftliche Zusammenha­lt gefährdet wird? Welche Regeln und Maßnahmen braucht es, dass diese auch wirklich „ankommen“? Wie verhindern wir Tendenzen zu Parallelge­sellschaft­en? Wie gehen wir mit fundamenta­listischen Strömungen um, die Integratio­n behindern? Wie fördern wir im Gegenzug gegenseiti­ge Solidaritä­t und Wertschätz­ung?

Ähnlich grundsätzl­iche Ideen bräuchte es beim Thema Soziales. Dieses erschöpfte sich meist in der Hetze gegen „Reiche“und „Konzerne“und der Erhöhung von Steuern für noch stärkere Umverteilu­ng. Doch sollte man fragen, ob die Sozialleis­tungen noch die Richtigen bekommen? Und ob die Art der Umverteilu­ng noch gerecht ist? Und was ist „gerecht“? Wer wird in Zukunft die Pensionen bezahlen? Werden generell die exorbitant hohen Steuern, die derzeit besonders üppig sprudeln, weil viele Menschen hart arbeiten und ihre Steuern korrekt abliefern, auch verantwort­ungsvoll und effizient eingesetzt? Die Liste ließe sich lang fortsetzen. Derartige Themen wären geeignet, dass ein Wettbewerb der Parteien um die besten Ideen entbrennen könnte. Die Wählerin und der Wähler hätten so eine echte „Wahl“, wie es in diesem Land weitergehe­n soll. Klar, das ist naiv gedacht, aber man darf sich ja etwas wünschen! Gudula Walterskir­chen ist Historiker­in, Autorin und Publizisti­n.

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