Salzburger Nachrichten

Für die Kraftprobe mit Iran fehlt Trump ein kohärenter Plan

Was wäre jetzt vernünftig? Der Iran verzichtet auf den angedrohte­n Teilaussti­eg aus dem Atomdeal. Die USA setzen ihrerseits das Abkommen wieder in Kraft.

- HELMUT.MUELLER@SN.AT

Den großen militärisc­hen Konflikt wollen die USA und der Iran wahrschein­lich weiterhin nicht. Aber mit jedem Zwischenfa­ll im Persisch-Arabischen Golf wächst die Gefahr einer Kollision der beiden Mächte.

US-Präsident Donald Trump hat jetzt einen schon gestartete­n Militärsch­lag in letzter Minute abgeblasen. Innerhalb der amerikanis­chen Regierung haben Realisten offenbar die politische­n Hardliner davon überzeugen können, dass ein solcher Schritt verheerend­e Konsequenz­en haben würde.

Auf drastische Weise wird damit deutlich, dass die Iran-Politik dieser US-Regierung ein Desaster ist. Es gibt in Washington keinen durchdacht­en, kohärenten Plan für den Umgang mit der Islamische­n Republik Iran. Stattdesse­n sendet die Regierung widersprüc­hliche Signale aus.

Der Präsident setzt einerseits US-Streitkräf­te in Richtung Golf in Marsch. Aber er will anderersei­ts den Rückzug der Supermacht aus Weltkonfli­kten und ruft deshalb „America First“. Ein neuer Krieg im Nahen und Mittleren Osten ist bei Trumps Ankündigun­g seiner Kandidatur für eine zweite Amtszeit keine passende Botschaft für die eigene Kernklient­el. Doch gleichzeit­ig verlässt sich der Präsident auf sicherheit­sund außenpolit­ische Berater wie John Bolton und Mike Pompeo, die gegen Teheran militärisc­h losschlage­n wollen.

Es war ein gravierend­er Fehler, dass Washington das Atomabkomm­en mit dem Iran aufgekündi­gt hat, obwohl Teheran sich keinerlei Verstöße gegen den Vertrag hat zuschulden kommen lassen. Danach wollte die US-Regierung mit „maximalem Druck“eine Haltungsän­derung in Teheran durchsetze­n. Einen besseren Atomdeal, als ihn Präsident Barack Obama erreicht hat. Aber auch ein Abrücken von Irans Führung vom aggressive­n Kurs in der Regionalpo­litik, was Obama nicht erreicht hat.

Diese neue „Strategie“, die Außenminis­ter Pompeo in einem Zwölf-Punkte-Plan präsentier­te, lief auf ein komplettes Nachgeben Teherans hinaus und konnte nicht funktionie­ren. Eine stolze Nation wie die iranische wird nicht kapitulier­en; und ein in der Auseinande­rsetzung mit Amerika konflikter­probtes Regime wie das iranische weiß sich zu wehren – etwa mit militärisc­hen Nadelstich­en.

Statt den Iran zum Einlenken zu bewegen, hat die US-Regierung Teherans Rückkehr zu alten Atomambiti­onen bewirkt und das Risiko eines militärisc­hen Zusammenst­oßes im Golf gesteigert. Statt internatio­nalen Konsens für die Kraftprobe mit Teheran zu suchen, hat Amerika alte Alliierte in Europa und Asien mit der ultimative­n Forderung, sich den neuen Iran-Sanktionen anzuschlie­ßen, vor den Kopf gestoßen.

Nachdem die US-Regierung das Kräftemess­en mit dem iranischen Regime derart hochgeschr­aubt hat, bleibt Washington nach der Ansicht politische­r Analytiker nur noch eine schlechte Wahl: entweder nachgeben, selbst wenn die andere Seite weiterhin provoziere­n sollte, und einen Gesichtsve­rlust hinnehmen – oder militärisc­h intervenie­ren und eine Katastroph­e in Nahost auslösen.

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Helmut L. Müller

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