Für die Kraftprobe mit Iran fehlt Trump ein kohärenter Plan
Was wäre jetzt vernünftig? Der Iran verzichtet auf den angedrohten Teilausstieg aus dem Atomdeal. Die USA setzen ihrerseits das Abkommen wieder in Kraft.
Den großen militärischen Konflikt wollen die USA und der Iran wahrscheinlich weiterhin nicht. Aber mit jedem Zwischenfall im Persisch-Arabischen Golf wächst die Gefahr einer Kollision der beiden Mächte.
US-Präsident Donald Trump hat jetzt einen schon gestarteten Militärschlag in letzter Minute abgeblasen. Innerhalb der amerikanischen Regierung haben Realisten offenbar die politischen Hardliner davon überzeugen können, dass ein solcher Schritt verheerende Konsequenzen haben würde.
Auf drastische Weise wird damit deutlich, dass die Iran-Politik dieser US-Regierung ein Desaster ist. Es gibt in Washington keinen durchdachten, kohärenten Plan für den Umgang mit der Islamischen Republik Iran. Stattdessen sendet die Regierung widersprüchliche Signale aus.
Der Präsident setzt einerseits US-Streitkräfte in Richtung Golf in Marsch. Aber er will andererseits den Rückzug der Supermacht aus Weltkonflikten und ruft deshalb „America First“. Ein neuer Krieg im Nahen und Mittleren Osten ist bei Trumps Ankündigung seiner Kandidatur für eine zweite Amtszeit keine passende Botschaft für die eigene Kernklientel. Doch gleichzeitig verlässt sich der Präsident auf sicherheitsund außenpolitische Berater wie John Bolton und Mike Pompeo, die gegen Teheran militärisch losschlagen wollen.
Es war ein gravierender Fehler, dass Washington das Atomabkommen mit dem Iran aufgekündigt hat, obwohl Teheran sich keinerlei Verstöße gegen den Vertrag hat zuschulden kommen lassen. Danach wollte die US-Regierung mit „maximalem Druck“eine Haltungsänderung in Teheran durchsetzen. Einen besseren Atomdeal, als ihn Präsident Barack Obama erreicht hat. Aber auch ein Abrücken von Irans Führung vom aggressiven Kurs in der Regionalpolitik, was Obama nicht erreicht hat.
Diese neue „Strategie“, die Außenminister Pompeo in einem Zwölf-Punkte-Plan präsentierte, lief auf ein komplettes Nachgeben Teherans hinaus und konnte nicht funktionieren. Eine stolze Nation wie die iranische wird nicht kapitulieren; und ein in der Auseinandersetzung mit Amerika konflikterprobtes Regime wie das iranische weiß sich zu wehren – etwa mit militärischen Nadelstichen.
Statt den Iran zum Einlenken zu bewegen, hat die US-Regierung Teherans Rückkehr zu alten Atomambitionen bewirkt und das Risiko eines militärischen Zusammenstoßes im Golf gesteigert. Statt internationalen Konsens für die Kraftprobe mit Teheran zu suchen, hat Amerika alte Alliierte in Europa und Asien mit der ultimativen Forderung, sich den neuen Iran-Sanktionen anzuschließen, vor den Kopf gestoßen.
Nachdem die US-Regierung das Kräftemessen mit dem iranischen Regime derart hochgeschraubt hat, bleibt Washington nach der Ansicht politischer Analytiker nur noch eine schlechte Wahl: entweder nachgeben, selbst wenn die andere Seite weiterhin provozieren sollte, und einen Gesichtsverlust hinnehmen – oder militärisch intervenieren und eine Katastrophe in Nahost auslösen.