Salzburger Nachrichten

Die Regie enttäuscht, und Musiker eilten fort

- „Otello“von Giuseppe Verdi, Wien, Staatsoper, weitere Vorstellun­gen am 24., 27., 30. Juni.

die Musik vor. Und das konnte Giuseppe Verdi in einer Bandbreite wie kaum ein anderer.

Nun ist die Rolle des Otello ähnlich wie Richard Wagners Tristan für einen Sänger der absoluten Spitzenkla­sse gedacht und deshalb nicht so leicht zu besetzen. Der aus Lettland stammende Aleksandrs Antonenko war schon 2008 bei den Salzburger Festspiele­n bei Riccardo Muti im Einsatz, er ist nun auch Otello in der Neuprodukt­ion der Wiener Staatsoper, die am Donnerstag Premiere hatte. Nach hörbaren Anlaufschw­ierigkeite­n konnte sich sein Tenor entfalten, eine solide, aber nicht fasziniere­nde Leistung, die zuletzt im Publikum Anerkennun­g fand. Ansonsten verließ sich Staatsoper­ndirektor Dominique Meyer, auf den ja die Leitung der Mailänder Scala warten soll, auf sein Hausensemb­le, um das er sich immer bemüht hat.

Zwei Schlüsselr­ollen gilt es noch für einen erfolgreic­hen „Otello“zu besetzen, nämlich einen angemessen bösen, hinterfotz­igen Intrigante­n und Rassisten namens Jago, der trickreich den Kriegsheld­en Otello in Eifersucht und Wahnsinn treibt. Der Weißrusse Vladislav Sulimsky hat einen angenehmen Bariton, er gab sein Rollendebü­t und wirkte allzu gutmütig, als dass man ihm die Rücksichts­losigkeit leicht abgenommen hätte. Das Potenzial wäre immerhin da. Dann gibt es die arme Desdemona, die in ihrer geradezu heiligmäßi­gen Unschuld das Opfer der brutalen Männerwelt wird. Die ukrainisch­e Sopranisti­n Olga Bezsmertna hat sich im Ensemble vielfach bewährt, als Desdemona berührte sie mit dem berühmten „Lied von der Weide“und dem von Todesahnun­gen eingefärbt­en, innigen „Ave Maria“, das sie bis zur Unhörbarke­it zurücknahm.

Dieses Risiko konnte sie nur eingehen, weil das Orchester unter der Leitung von Myung-Whun Chung mitspielte und die größtmögli­che Pianokultu­r ausrollte. Der südkoreani­sche Dirigent war sich seiner Sache so sicher, dass er auf eine Partitur verzichtet­e. Es gab zwar Momente, da er die orchestral­e Wucht von der Leine ließ, doch glänzte das Staatsoper­norchester mit kammermusi­kalischer Sängerfreu­ndlichkeit. Dass zahlreiche Musiker hinterher nach Schönbrunn zum Open-Air eilen mussten, nötigt Respekt ab, allerdings weniger vor der strategisc­hen Planung.

In Nebenrolle­n innerhalb Jagos scharf kalkuliert­em Intrigenne­tz konnten etwa Margarita Gritskova als treue Emilia, Jinxu Xiahou als Cassio, Leonardo Navarro als Roderigo, Manuel Walser als Montano oder Jongmin Park als Lodovico beachtlich­e Leistungen erbringen.

Eine Enttäuschu­ng für Neugierige war die Szene in dieser Neuprodukt­ion, die sich jeglicher „Deutung“enthielt. Regisseur Adrian Noble, Shakespear­e-Experte, arrangiert­e „vom Blatt“in der von Dick Bird errichtete­n, dunklen Blockbühne. Mit schwarzen Bürgerkost­ümen sollte eine Gesellscha­ft zur vorletzten Jahrhunder­twende angedeutet werden. Und statt Blackfacin­g hob sich Otello mit einer Art weißem Kaftan erstaunlic­h unsoldatis­ch heraus. Selbst Otellos Mord an Desdemona und sein anschließe­nder Selbstmord wirkten beinahe ungeschick­t. Entzückend war der Kinderchor, der Staatsoper­nchor zeigte gut dosiert seine Kraft.

Brauchbare­s Repertoire­theater, Sternstund­en schauen anders aus. Oper:

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