Die Regie enttäuscht, und Musiker eilten fort
die Musik vor. Und das konnte Giuseppe Verdi in einer Bandbreite wie kaum ein anderer.
Nun ist die Rolle des Otello ähnlich wie Richard Wagners Tristan für einen Sänger der absoluten Spitzenklasse gedacht und deshalb nicht so leicht zu besetzen. Der aus Lettland stammende Aleksandrs Antonenko war schon 2008 bei den Salzburger Festspielen bei Riccardo Muti im Einsatz, er ist nun auch Otello in der Neuproduktion der Wiener Staatsoper, die am Donnerstag Premiere hatte. Nach hörbaren Anlaufschwierigkeiten konnte sich sein Tenor entfalten, eine solide, aber nicht faszinierende Leistung, die zuletzt im Publikum Anerkennung fand. Ansonsten verließ sich Staatsoperndirektor Dominique Meyer, auf den ja die Leitung der Mailänder Scala warten soll, auf sein Hausensemble, um das er sich immer bemüht hat.
Zwei Schlüsselrollen gilt es noch für einen erfolgreichen „Otello“zu besetzen, nämlich einen angemessen bösen, hinterfotzigen Intriganten und Rassisten namens Jago, der trickreich den Kriegshelden Otello in Eifersucht und Wahnsinn treibt. Der Weißrusse Vladislav Sulimsky hat einen angenehmen Bariton, er gab sein Rollendebüt und wirkte allzu gutmütig, als dass man ihm die Rücksichtslosigkeit leicht abgenommen hätte. Das Potenzial wäre immerhin da. Dann gibt es die arme Desdemona, die in ihrer geradezu heiligmäßigen Unschuld das Opfer der brutalen Männerwelt wird. Die ukrainische Sopranistin Olga Bezsmertna hat sich im Ensemble vielfach bewährt, als Desdemona berührte sie mit dem berühmten „Lied von der Weide“und dem von Todesahnungen eingefärbten, innigen „Ave Maria“, das sie bis zur Unhörbarkeit zurücknahm.
Dieses Risiko konnte sie nur eingehen, weil das Orchester unter der Leitung von Myung-Whun Chung mitspielte und die größtmögliche Pianokultur ausrollte. Der südkoreanische Dirigent war sich seiner Sache so sicher, dass er auf eine Partitur verzichtete. Es gab zwar Momente, da er die orchestrale Wucht von der Leine ließ, doch glänzte das Staatsopernorchester mit kammermusikalischer Sängerfreundlichkeit. Dass zahlreiche Musiker hinterher nach Schönbrunn zum Open-Air eilen mussten, nötigt Respekt ab, allerdings weniger vor der strategischen Planung.
In Nebenrollen innerhalb Jagos scharf kalkuliertem Intrigennetz konnten etwa Margarita Gritskova als treue Emilia, Jinxu Xiahou als Cassio, Leonardo Navarro als Roderigo, Manuel Walser als Montano oder Jongmin Park als Lodovico beachtliche Leistungen erbringen.
Eine Enttäuschung für Neugierige war die Szene in dieser Neuproduktion, die sich jeglicher „Deutung“enthielt. Regisseur Adrian Noble, Shakespeare-Experte, arrangierte „vom Blatt“in der von Dick Bird errichteten, dunklen Blockbühne. Mit schwarzen Bürgerkostümen sollte eine Gesellschaft zur vorletzten Jahrhundertwende angedeutet werden. Und statt Blackfacing hob sich Otello mit einer Art weißem Kaftan erstaunlich unsoldatisch heraus. Selbst Otellos Mord an Desdemona und sein anschließender Selbstmord wirkten beinahe ungeschickt. Entzückend war der Kinderchor, der Staatsopernchor zeigte gut dosiert seine Kraft.
Brauchbares Repertoiretheater, Sternstunden schauen anders aus. Oper: