Die lang geforderte tägliche Turnstunde wird es nie geben
Trotz aller politischen Beteuerungen bleibt die tägliche Bewegung in der Schule wohl ein hehrer Wunsch. Der Ankündigung folgten nie Konzepte.
Fast reflexartig wirft sich die Politik mit Ansagen auf die tägliche Turnstunde, wenn es gilt im sportlichen Bereich zu punkten. Zumeist nach einer frisch geschlagenen Wahl. Immer wieder auch vor einer Wahl. Das kennt der Beobachter zur Genüge.
Es war eine der ersten Ankündigungen des damaligen Vizekanzlers und Sportministers Heinz-Christian Strache, der vergangenen September in einem groß angelegten Medientermin die tägliche Bewegungsstunde vehement einforderte. 6,4 Millionen Euro sollten dafür nur für die Volksschule bereitgestellt werden. Weitere Kosten von 52 Millionen Euro sollten zusammen von Bildungs- und Gesundheitsministerium übernommen werden. Dieser Plan dürfte nach dem Abgang des FPÖ-Vordenkers Geschichte sein. Das löbliche Projekt „Mach den ersten Schritt“, mit dem Kinder, die keinen Sport machen, zur Bewegung animiert werden sollen, wird vermutlich dahindösen und langsam ohne entsprechende politische Unterstützung ausklingen.
Erst vor Kurzem kündigte die SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner einen Entschließungsantrag im Nationalrat an, der die Einführung der täglichen Sportstunde in allen Pflichtschulen in Österreich weiterbringen soll. Zuvor hatte Rendi-Wagners Parteikollege Rudolf Hundstorfer, der Präsident der Bundes-Sportorganisation (BSO), festgestellt, dass die tägliche Turnstunde bereits im Oktober 2012 von allen (damaligen) fünf Parlamentsparteien unterstützt wurde. Bekenntnisse, die seit Jahren niemanden in dieser Frage weiterbringen.
Dabei wäre die tägliche Turnstunde so wichtig wie selten zuvor. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat jüngst festgestellt, dass sich in Österreich jeder Dritte zu wenig bewegt. In Österreich ist bereits jedes fünfte Kind übergewichtig, seit 1975 hat sich die Zahl der übergewichtigen Kinder weltweit verzehnfacht – 120 Millionen Kinder sind zu dick.
Es braucht Handlungen, die über diverse Ankündigungen hinausgehen. Konkrete Konzepte bleiben aus, viele Fragen unbeantwortet. Unter anderem: Wer soll die tägliche Turnstunde leiten? Welche flächengreifenden, didaktischen Konzepte gibt es?
Es könnte die Stunde der heimischen Dachverbände werden. Sie haben die Expertise und die personellen Möglichkeiten, die tägliche Turnstunde in die Tat umzusetzen. In Zusammenarbeit mit den Verantwortlichen in den Pflichtschulen natürlich. Jetzt gilt es für die zuvor zitierte BSO die Gunst der Stunde zu nutzen. Mehr Konzepte und weniger Entschließungsanträge und Bekenntnisse braucht es. Und einen politischen Vertreter, der den Sport nicht nur als billiges Anhängsel mit repräsentativen Aufgaben bei Medaillenfeiern sieht. Warum nicht einen Experten als fixen Sportstaatssekretär installieren? Der auch bleibt, wenn ein Sportminister wieder einmal abgelöst wird? „Die Halbwertszeit eines Sportministers betrug zuletzt nicht einmal zwei Jahre“, meinte einst Österreichs Rekordolympionike Felix Gottwald in einem SN-Interview süffisant. Der Sport muss nicht nur für die tägliche Turnstunde planbarer werden.