Der Strahlemann wurde ernst
Der Australier Daniel Ricciardo galt bei Red Bull als kommender Weltmeister – nun tröstet er sich bei Renault mit Durchhalteparolen. An der Spitze bleibt Mercedes unangefochten.
Umringt von Fans und allen sein strahlendes Lächeln schenkend – das waren die Auftritte des Daniel Ricciardo in seinen fünf Jahren bei Red Bull Racing. Einen Mann wie ihn braucht die in vielen Bereichen erstarrte Formel 1 wie einen Bissen Brot, lautete das Urteil über den Australier. Schnell, weltoffen und für jeden Spaß zu haben. Stichwort Disco Dan: Professionelle Arbeit in einer Welt der Rennsieger mit Lebenslust zu verknüpfen, das gelang von der aktuellen Generation nur ihm. Alles Geschichte. Der Daniel Ricciardo der Saison 2019 lacht nur noch selten. Er muss bei Renault rackern und es reicht bestenfalls für das Mittelmaß. Mit Platz sechs schaffte er vor zwei Wochen in Kanada die beste Saisonplatzierung. Mager für einen Formel-1-Piloten mit sieben Siegen, 29 Othmar Behr berichtet für die SN aus Le Castellet Podestplätzen und 270 Führungsrunden. Von einem kommenden Weltmeister Ricciardo spricht zurzeit niemand mehr.
In Le Castellet trumpft Renault im Fahrerlager diesmal mit einem neuen Motorhome der Kategorie „Palazzo Prozzo“auf. In den Freitag-Trainings bei brütender Hitze deutete aber nichts darauf hin, dass der französische Rennstall am Sonntag beim Heimrennen um den Großen Preis von Frankreich (Start 15.10 Uhr) ein Anwärter auf einen Podestplatz sein könnte. Trotz eines neuen Motors reichte es für Ricciardo im Süden Frankreichs am Vormittag nur für Platz neun und am Nachmittag kam er über Rang zwölf nicht hinaus.
Einmal mehr gab Mercedes an einem ersten Trainingstag den Ton an, an der Überlegenheit der Silberpfeile dürfte es auch an diesem Wochenende kein Vorbeikommen geben. Lewis Hamilton setzte am Vormittag die Bestmarke, gefolgt von Teamkollegen Valtteri Bottas, Charles Leclerc, Max Verstappen und Sebastian Vettel. Am Nachmittag drehte Bottas den Spieß um und ließ Hamilton hinter sich. Es folgten Leclerc, Vettel, der überraschend starke Lando Norris im McLaren und Verstappen. Nach einem Fahrfehler drängte Hamilton bei seiner Rückkehr auf die Strecke Max Verstappen ab. Die Rennleitung untersuchte den Vorfall und sprach keine Strafe aus.
Zurück zu Ricciardo: Der neue Vertrag bei Red Bull Racing lag im vergangenen Sommer wochenlang zur Unterschrift bereit. Ricciardo zögerte, er fühlte sich im Team gegenüber Max Verstappen in einigen Punkten zurückversetzt und hoffte auf bessere Konditionen. Motorsport-Berater Helmut Marko blieb hart und prophezeite Ricciardo den Abstieg, wenn er Red Bull verlässt: „Wo will er hin, es ist kein Platz in einem siegfähigen Team frei.“
Nach dem Rennen in Budapest wagte der Australier den Schritt und unterzeichnete bei Renault. Ricciardo bekannte: „Ich habe lange mit mir gerungen und bei Marko anzurufen und abzusagen war keine einfache Sache für mich.“Dass sich der Schritt zumindest finanziell gelohnt hat, darf angenommen werden.
Vor dem Rennen in Frankreich liegt Ricciardo mit 16 Punkten an achter Stelle der WM-Wertung, allerdings brachte das KanadaResultat eine Verdopplung der Punkte. „Montréal gab uns einen gehörigen Schub“, stellte Ricciardo fest, und es klingt nach Durchhalteparole, wenn er in Le Castellet meint: „Dass Renault wirklich gute Ergebnisse hatte, das ist lange her. Aber das Team realisiert nun, dass auch Großes möglich ist.“
Eine Sorge scheint Ricciardo los zu sein. Nach einer Rückstellung zugunsten des Teamkollegen schaut es bei Renault nicht aus. Nico Hülkenberg wurde in Kanada angewiesen, den unmittelbar vor ihm liegenden Ricciardo nicht anzugreifen. Man wolle auf dem Weg zur besten Saisonleistung kein Risiko eingehen. Und auf den neuen Motor muss der Deutsche noch warten. Zudem ließ Renault-Teamchef Cyril Abiteboul am Freitag wissen, sein Team habe für 2020 eine Option auf Hülkenberg, man sehe sich aber auch auf dem Fahrermarkt um.