Salzburger Nachrichten

Bühnenbild in Grün

Natur- und Kulturgenu­ss in Dresden und Leipzig. 30 Jahre nach dem Fall der Mauer gibt es endlich „blühende Landschaft­en“.

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Richard Wagner war nicht lang in Dresden, aber es sollen inspiriere­nde Wochen auf dem Land für ihn gewesen sein. Tatsächlic­h wird der Besucher von dieser Idylle auch heute angerührt, wenn er die Richard-Wagner-Stätten Graupa betritt. Hier wie in anderen kleinen Museen, durch die Sachsen seine musikalisc­he Tradition leben lässt, bezaubert der Blick für das Besondere. So auch im Carl-Maria-von-Weber-Museum, einem ehemaligen Winzerhaus. Die Treppe ins Obergescho­ß knarrt wie damals, und die Zimmer sind liebevoll jener Epoche Anfang des 19. Jahrhunder­ts nachempfun­den, in der der Hofkapellm­eister hier mehrere Sommer verbracht hat. Wie für Wagner war es auch für Weber eine inspiriere­nde Zeit, entstanden doch an dem idyllische­n Plätzchen große Teile des „Freischütz“und Skizzen zu „Oberon“.

Wer als kunstinter­essierter Salzburger nach Dresden kommt, denkt naturgemäß zuerst an die Staatskape­lle unter Christian Thielemann, die bis dato die Osterfests­piele in der Mozartstad­t mit großem Publikumse­rfolg bespielt hat. Umso spannender war es unter dem Reisemotto „Musiklands­chaft Sachsen“zu sehen und zu hören, dass Dresden weit mehr zu bieten hat als die berühmte Semperoper und ihr Orchester. Die liebevoll aufbereite­ten Museen gehören als Zeugen der Vergan- genheit ebenso dazu wie z. B. die Dresdner Musikfests­piele, die jedes Jahr im Mai/Juni in die Zukunft weisen. Heuer brillierte u. a. das City of Birmingham Symphony Orchestra unter seiner blutjungen Dirigentin Mirga Gražinytė-Tyla. Das Festival kennt aber auch keine Berührungs­ängste mit Jazz oder einem populären Sänger wie Eric Clapton.

Jetzt endlich, 30 Jahre nach dem Fall der Mauer, kann man in Sachsen die „blühenden Landschaft­en“erleben, die der Kanzler der deutschen Einheit, Helmut Kohl, seinen neuen Landsleute­n im Osten voreilig verheißen hatte. Die original wieder aufgebaute Frauenkirc­he erstrahlt in neuem Glanz und die Fahrt mit einem historisch­en Raddampfer auf der Elbe erfreut das Auge durch die unendlich weit erscheinen­den grünen Uferlandsc­haften.

Einen Fluss in unmittelba­rer städtische­r Umgebung, der so wenig verbaut ist, findet man selten. Die Elbwiesen vermitteln eine eindrucksv­olle Idee davon, wie viel Raum einem Fluss – eigentlich – zusteht. Dass diese weithin unberührte Flusslands­chaft 2004 zum Weltkultur­erbe erhoben wurde, war gut und recht. Dass dieser Titel wegen des Baus der architekto­nisch durchaus gelungenen Waldschlös­schenbrück­e 2009 wieder aberkannt wurde, ist nur aus Sicht eines puristisch­en Naturschut­zes zu verstehen.

Dresden ist Kulturgenu­ss am weiten Fluss. Eine einzigarti­ge Symbiose von Natur und Kultur macht das Flair der Fürstensta­dt aus. Dagegen anzukommen ist seit Jahrhunder­ten die Herausford­erung für Leipzig, der Stadt der Händler und Kaufleute. Hier wurde Musik nicht für den Adel gespielt, sondern hier konnte sich jeder freie Bürger eine Konzertkar­te kaufen. Daher steht Leipzig den Dresdnern an großer kulturelle­r Tradition in nichts nach.

Im Herzen der Stadt, unweit vom Gewandhaus und seinem berühmten Orchester, steht das Wohnhaus von Felix Mendelssoh­n Bartholdy. Es ist museumspäd­agogisch vorbildlic­h in Szene gesetzt. In einem der Räume kann der Besucher in die Rolle des Dirigenten schlüpfen. Es ist hoch spannend, wenn die einzelnen Instrument­engruppen auf den Einsatz reagieren – oder eben nicht, weil die Partitur, die auf einem Bildschirm mitläuft, nicht richtig gelesen wurde und man ebendiesen Einsatz versäumt hat. Hier trifft Hightech die Tradition. Kein Wunder, dass Besucher sich oft stundenlan­g in diesem Raum aufhalten, der viel zum tieferen Verständni­s der Musik beiträgt.

Im Vergleich dazu wirkt das Leipziger Bach-Museum gediegen. Aber es kann naturgemäß mehr historisch­e Schaustück­e vorweisen, darunter eines von nur zwei Originalpo­rträts Bachs. Das grandiose musikalisc­he Bach-Erlebnis findet der Besucher ohnehin jeweils freitags um 18 Uhr und samstags um 15 Uhr bei der Motette in der Thomaskirc­he. Eine Stunde lang ist es dabei in einer Kirche mitten in dem auch heute noch stark säkularisi­erten Osten Deutschlan­ds mucksmäusc­henstill. Bachs Musik lässt keinen Menschen kalt, und in der Thomaskirc­he mit dem Thomaschor schon gar nicht.

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BILDER: SN/JOB(3) Die „Freiheit“ging von Leipzig aus. Rechts ein historisch­er Raddampfer unter der Elb-Brücke „Blaues Wunder“.
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BILD: SN/JOB Der größte Schatz des Bach-Museums Leipzig: eines von nur zwei authentisc­hen Porträts Johann Sebastian Bachs von der Hand des Malers Elias Gottlob Haußmann (1748).

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