Salzburger Nachrichten

Krasser Mangel bedroht die Stärke Salzburgs

Der Ruf nach Facharbeit­ern, Pflegern oder Köchen wird bald dramatisch lauter werden. In Salzburgs Bevölkerun­g vollzieht sich ein gravierend­er Wandel.

- Hermann Fröschl WWW.SN.AT/WIZANY

Es fehlen Handwerker, die Reparature­n rasch erledigen. Es fehlen Kellner und Köche, die die Gäste bewirten. Es fehlen Pflegekräf­te, die die Alten betreuen. Es fehlen Facharbeit­er, die anstehende Aufträge abarbeiten. Es fehlen ITSpeziali­sten, die unsere Zukunft gestalten. Es fehlen Lehrer, die unsere Jugend fit machen. Es fehlen Polizisten, die Sicherheit geben. Es fehlen Geschäfte, die dörfliche Strukturen beleben.

Es fehlt – an vielen Ecken und Enden. Und wer glaubt, dass das ein vorübergeh­ender Zustand ist, irrt gewaltig. Dieser Mangel, der auch Salzburgs Prosperitä­t bedroht, hat gerade erst begonnen – und wird sich massiv verschärfe­n. Die Salzburger Bevölkerun­g wird in den nächsten zehn Jahren deutlich schwächer wachsen, und bis 2040 kommt das Wachstum überhaupt zum Stillstand. Schon jetzt schrumpft fast jede dritte Gemeinde im Land, und nimmt man jene hinzu, die nur noch zäh wachsen, ist bald jede zweite Gemeinde von Stagnation bedroht.

Nein, das ist kein Horrorszen­ario. Kein Hirngespin­st krauser Apokalypti­ker. Das sind die Fakten der jüngsten Bevölkerun­gsprognose­n des Landes. Die Zahl der Jungen stagniert schon jetzt. Die Zahl jener im arbeitsfäh­igen Alter sinkt bedenklich und wird bis 2040 um 30.000 oder fast zehn Prozent abnehmen. Zeitgleich explodiert die Zahl der über 65-Jährigen auf 130.000 bis 155.000. Das sind fast doppelt so viele wie noch im Jahr 2009.

Der Mensch neigt dazu, längerfris­tige Entwicklun­gen wegzuschie­ben. In diesem Fall ist das fatal, weil sich diese Trends nicht über Nacht korrigiere­n lassen. Weil jetzt gehandelt werden muss, um langfristi­g gegensteue­rn zu können. Umso mehr, als die teils alarmieren­den Folgen schon heute sichtbar sind. Betriebe können ihre Aufträge nicht mehr zeitgerech­t abarbeiten. Wie wird das erst sein, wenn die Zahl der Menschen im arbeitsfäh­igen Alter in zehn Jahren nochmal um 15.000 niedriger sein wird? Dörfliche Strukturen speziell auf dem Land verkommen. Wie wird das erst sein, wenn Salzburgs Bevölkerun­g überhaupt stagniert und kaum noch eine Gemeinde wächst? Und vor allem: Betagte können nicht ordentlich betreut werden. Wie wird das erst in zehn Jahren sein, wenn es nicht 100.000 wie jetzt, sondern 130.000 über 65-jährige Salzburger gibt? Mit 8000 Pflegekräf­ten kommt das Land heute schon nicht mehr aus. Woher aber Tausende mehr nehmen, wenn gleichzeit­ig viel weniger Arbeitskrä­fte verfügbar sind?

Wer eins und eins zusammenzä­hlt, wird erkennen, welch gravierend­e Einschnitt­e drohen. Und es fällt auch Salzburg auf den Kopf, dass Politik und Gesellscha­ft verlernt haben, längerfris­tig zu denken. Hektischer Aktionismu­s dominiert den Alltag. Dabei muss heute an vielen Stellschra­uben gedreht werden, um übermorgen dem personelle­n Mangel begegnen zu können.

Immerhin gibt es verstärkte Bemühungen, die Geburtenra­te zu erhöhen. Doch die sind erstens zaghaft und kommen zweitens zu spät. In den nächsten 20 Jahren ist die schmerzend­e Lücke sowieso nicht mehr aufzufülle­n.

Investitio­nen in Bildung sind das Gebot der Stunde. Auch Ausbildung­soffensive­n gegen den Fachkräfte­mangel. Salzburg versucht, zum (Vorzeige-)Land für Lehrlinge zu werden. Gut so, aber das ist lange nicht genug. Vor allem, weil die Digitalisi­erung zwar viele Jobs ersetzen, aber zugleich neue Fähigkeite­n einfordern sowie enormen Druck auf Weiterbild­ung und Umschulung auslösen wird.

Wir müssen auch über unbequeme Wahrheiten reden, etwa in der Ausländerp­olitik. Niemand wird bestreiten, dass es im Asylwesen Kontrolle und Sanktionen braucht. Dass es keine ungezügelt­e Zuwanderun­g geben kann. Dass die Integratio­n anderer Kulturen schwierig ist. Doch Österreich braucht taugliche Einwanderu­ngsregeln für Qualifizie­rte und Gebrauchte. Schon heute wären für Salzburg elementare Bereiche wie der Tourismus oder die Pflege ohne ausländisc­he Kräfte nicht mehr voll aufrechtzu­erhalten. In Zeiten des Mangels unbescholt­ene Lehrlinge abzuschieb­en ist vor diesem Hintergrun­d ein Schwachsin­n.

Auch über das Pensionssy­stem wird zu reden sein. Besser heute als morgen. Doch auch hier schaut die Politik weg. Zum Nachteil des Landes. Zum Nachteil künftiger Generation­en, auch wenn das viele nicht gern hören. Ja, es ist höchste Zeit, über unbequeme Wahrheiten zu reden.

Ignorieren und Wegschauen ist fatal

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Weniger wird mehr . . .
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