Krasser Mangel bedroht die Stärke Salzburgs
Der Ruf nach Facharbeitern, Pflegern oder Köchen wird bald dramatisch lauter werden. In Salzburgs Bevölkerung vollzieht sich ein gravierender Wandel.
Es fehlen Handwerker, die Reparaturen rasch erledigen. Es fehlen Kellner und Köche, die die Gäste bewirten. Es fehlen Pflegekräfte, die die Alten betreuen. Es fehlen Facharbeiter, die anstehende Aufträge abarbeiten. Es fehlen ITSpezialisten, die unsere Zukunft gestalten. Es fehlen Lehrer, die unsere Jugend fit machen. Es fehlen Polizisten, die Sicherheit geben. Es fehlen Geschäfte, die dörfliche Strukturen beleben.
Es fehlt – an vielen Ecken und Enden. Und wer glaubt, dass das ein vorübergehender Zustand ist, irrt gewaltig. Dieser Mangel, der auch Salzburgs Prosperität bedroht, hat gerade erst begonnen – und wird sich massiv verschärfen. Die Salzburger Bevölkerung wird in den nächsten zehn Jahren deutlich schwächer wachsen, und bis 2040 kommt das Wachstum überhaupt zum Stillstand. Schon jetzt schrumpft fast jede dritte Gemeinde im Land, und nimmt man jene hinzu, die nur noch zäh wachsen, ist bald jede zweite Gemeinde von Stagnation bedroht.
Nein, das ist kein Horrorszenario. Kein Hirngespinst krauser Apokalyptiker. Das sind die Fakten der jüngsten Bevölkerungsprognosen des Landes. Die Zahl der Jungen stagniert schon jetzt. Die Zahl jener im arbeitsfähigen Alter sinkt bedenklich und wird bis 2040 um 30.000 oder fast zehn Prozent abnehmen. Zeitgleich explodiert die Zahl der über 65-Jährigen auf 130.000 bis 155.000. Das sind fast doppelt so viele wie noch im Jahr 2009.
Der Mensch neigt dazu, längerfristige Entwicklungen wegzuschieben. In diesem Fall ist das fatal, weil sich diese Trends nicht über Nacht korrigieren lassen. Weil jetzt gehandelt werden muss, um langfristig gegensteuern zu können. Umso mehr, als die teils alarmierenden Folgen schon heute sichtbar sind. Betriebe können ihre Aufträge nicht mehr zeitgerecht abarbeiten. Wie wird das erst sein, wenn die Zahl der Menschen im arbeitsfähigen Alter in zehn Jahren nochmal um 15.000 niedriger sein wird? Dörfliche Strukturen speziell auf dem Land verkommen. Wie wird das erst sein, wenn Salzburgs Bevölkerung überhaupt stagniert und kaum noch eine Gemeinde wächst? Und vor allem: Betagte können nicht ordentlich betreut werden. Wie wird das erst in zehn Jahren sein, wenn es nicht 100.000 wie jetzt, sondern 130.000 über 65-jährige Salzburger gibt? Mit 8000 Pflegekräften kommt das Land heute schon nicht mehr aus. Woher aber Tausende mehr nehmen, wenn gleichzeitig viel weniger Arbeitskräfte verfügbar sind?
Wer eins und eins zusammenzählt, wird erkennen, welch gravierende Einschnitte drohen. Und es fällt auch Salzburg auf den Kopf, dass Politik und Gesellschaft verlernt haben, längerfristig zu denken. Hektischer Aktionismus dominiert den Alltag. Dabei muss heute an vielen Stellschrauben gedreht werden, um übermorgen dem personellen Mangel begegnen zu können.
Immerhin gibt es verstärkte Bemühungen, die Geburtenrate zu erhöhen. Doch die sind erstens zaghaft und kommen zweitens zu spät. In den nächsten 20 Jahren ist die schmerzende Lücke sowieso nicht mehr aufzufüllen.
Investitionen in Bildung sind das Gebot der Stunde. Auch Ausbildungsoffensiven gegen den Fachkräftemangel. Salzburg versucht, zum (Vorzeige-)Land für Lehrlinge zu werden. Gut so, aber das ist lange nicht genug. Vor allem, weil die Digitalisierung zwar viele Jobs ersetzen, aber zugleich neue Fähigkeiten einfordern sowie enormen Druck auf Weiterbildung und Umschulung auslösen wird.
Wir müssen auch über unbequeme Wahrheiten reden, etwa in der Ausländerpolitik. Niemand wird bestreiten, dass es im Asylwesen Kontrolle und Sanktionen braucht. Dass es keine ungezügelte Zuwanderung geben kann. Dass die Integration anderer Kulturen schwierig ist. Doch Österreich braucht taugliche Einwanderungsregeln für Qualifizierte und Gebrauchte. Schon heute wären für Salzburg elementare Bereiche wie der Tourismus oder die Pflege ohne ausländische Kräfte nicht mehr voll aufrechtzuerhalten. In Zeiten des Mangels unbescholtene Lehrlinge abzuschieben ist vor diesem Hintergrund ein Schwachsinn.
Auch über das Pensionssystem wird zu reden sein. Besser heute als morgen. Doch auch hier schaut die Politik weg. Zum Nachteil des Landes. Zum Nachteil künftiger Generationen, auch wenn das viele nicht gern hören. Ja, es ist höchste Zeit, über unbequeme Wahrheiten zu reden.
Ignorieren und Wegschauen ist fatal