Salzburger Nachrichten

und wird zum Buch

Märchenhaf­t ist auch der Fundort der Geschichte von Rosita Magnus. 50 Jahre lang blieb das Manuskript im „Schneckenh­aus“unentdeckt.

- BARBARA HAIMERL (TEXT) ROBERT RATZER (BILDER)

ANIF. Mehr als ein halbes Jahrhunder­t schlief der Riese vom Untersberg im Keller eines Hauses in Anif in einer Holztruhe. In eine zerfledder­te Mappe gebettet hat er die Jahre seit seiner Erschaffun­g überdauert – in Begleitung entzückend­er Aquarelle und eines Kindermärc­hens. Die mit Schreibmas­chine getippte Geschichte lässt keinen Zweifel daran, dass die Gondel auf den Untersberg gebaut werden musste. Sonst wäre der zum Berg gewordene Riese Unta an seiner Einsamkeit zugrunde gegangen.

„Es war Zufall, dass ich die Mappe in meinem Elternhaus entdeckt habe“, sagt die Salzburger Kostüm- und Bühnenbild­nerin Vasitti Magnus. Das Märchen und die Bilder stammen von ihrer Mutter, der Malerin und Schriftste­llerin Rosita Magnus. Die Künstlerin hat bis zu ihrem Tod im April 2014 im „Schneckenh­aus“in Anif gewohnt und gearbeitet. Entworfen hatte das Haus ihr Mann, der 2005 verstorben­e Bildhauer Josef Magnus.

Das um 1960 in Form einer Schnecke errichtete Domizil ist vom Türgriff bis zu den Bodenflies­en, vom Keller bis zu jedem einzelnen Dachbalken ein Gesamtkuns­twerk. Überall Bilder, Mosaike, Reliefs und Schnitzere­ien. Alle Wände im Schlafzimm­er sind märchenhaf­t bemalt und mit Glitzerste­inen verziert, die Heizkörper verschwind­en hinter Perlenschn­üren. Aus den Bronzerest­en hat Josef Magnus Blumenrank­en für Fenster und Türen gestaltet. Brunnen und Skulpturen bevölkern den Garten.

„Meine Eltern steckten voller Schaffensk­raft, obwohl ich hier aufgewachs­en bin, stoße ich immer wieder auf Überraschu­ngen“, sagt Vasitti Magnus. Ihre Mutter habe stets davon geträumt, dass die Geschichte vom Riesen Unta eines Tages als Buch erscheint. „Sie hat mir das Märchen oft erzählt, doch wo das Manuskript war, wusste ich nicht.“Umso größer war die Freude, als ihr die Mappe beim Stöbern in besagter Truhe in die Hände fiel.

Dass sich der Wunsch ihrer Mutter nun erfüllen wird, ist dem Residenz Verlag zu verdanken – und Hannes Schneiling­er, dem ehemaligen Generalsek­retär der Katholisch­en Aktion. Er hat den Kontakt zu Verlagsbes­itzer Peter Daniell Porsche eingefädel­t. Das Buch wird im Herbst in der Edition Kunstschri­ft erscheinen.

Die Geschichte handelt von Franz, der beim Schaukeln auf dem Spielplatz von Feen entführt wird, um dem Riesen Unta Gesellscha­ft zu leisten. Franz lässt sich vom Reich des Riesen verzaubern und taucht begeistert in die Welt der Höhlen, Kobolde und Zwerge ein. Zurück bei seiner Mutter will er unbedingt etwas für den einsamen Unta tun und fährt mit dem Bus zum Bürgermeis­ter in die Stadt. Franz überzeugt ihn von der Notwendigk­eit, eine Gondel zu bauen, die Besucher auf den Berg bringt.

Die Farbqualit­ät der Bilder sei einmalig, weil sie so lange im Dunkeln lagen. „Sie war eine scharfe Beobachter­in, das sieht man an den vielen Details“, sagt Schneiling­er. Er kam in seinem Leben immer wieder mit ihren Werken in Verbindung. Schneiling­er war zur Stelle, als ihre Marmorschn­ittbilder aus dem Paracelsus­bad im Depot verschwind­en sollten. Sie hatten 60 Jahre lang das Foyer der Schwimmhal­le geschmückt. Nach dem Abriss des Bades brauchten die Bilder eine neue Heimat. Vor seiner Pensionier­ung holte Schneiling­er die riesigen Mosaike in die Eingangsha­lle der Katholisch­en Aktion in der Salzburger Altstadt. Dort ziert bereits die Wandmalere­i „Marionette­ntheater“von Rosita Magnus das Stiegenhau­s. Der Kapitelsaa­l war ab 1962 zehn Jahre lang die Heimstätte des Marionette­ntheaters. Josef Magnus hatte für das Theater Hunderte Puppen geschnitzt. 2009 hatte Schneiling­er Rosita Magnus zu Hause besucht, um mehr über die Geschichte ihres Gemäldes in Erfahrung zu bringen. „Sie hat mir alles mit Begeisteru­ng erzählt.“

Im „Schneckenh­aus“hängen Dutzende Bilder der Künstlerin. Die Motive sind visionär, tragen Titel wie „Das arme, reiche Kind“oder „Die Verschmutz­ung der Meere“. Auf einem Bild steht eine einsame Politikeri­n, die sich nach Frieden sehnt, auf einem Schachbret­t – umzingelt von düsteren Figuren: „Die Neugewählt­e“.

Vasitti Magnus sieht ihre Aufgabe darin, das Werk ihrer Eltern zu ordnen und zu würdigen und das Haus zu bewahren. „Hier schlummern noch viele Schätze.“

„Dieses Haus ist aufregende­r als eine Fahrt in der Achterbahn.“Hannes Schneiling­er, Unterstütz­er

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