Salzburger Nachrichten

Erst durchatmen, dann tippen

Verbalatta­cken im Netz. Das juristisch­e Nachspiel kann teuer werden. Neben zivilrecht­lichen Ansprüchen drohen auch Verwaltung­sstrafen.

- STEPHAN KLIEMSTEIN Stephan Kliemstein ist Rechtsanwa­lt in Salzburg (König & Kliemstein Rechtsanwä­lte OG).

Den Mund auftun und beleidigen ist bei manchen Leuten eins. Das wusste schon der französisc­he Schriftste­ller Jean de La Bruyère im 17. Jahrhunder­t. Online geht Pöbeln heute besonders leicht. Aber das Netz ist kein rechtsfrei­er Raum. Wer andere im Internet beleidigt oder Unwahrheit­en über sie verbreitet, kann zivilrecht­lich vom Betroffene­n zur Rechenscha­ft gezogen werden. Komplizier­ter wird es, wenn sich diese Pöbeleien („Bashing“) nicht auf eine konkrete Person beziehen, sondern beispielsw­eise auf eine Berufsgrup­pe, weil dann eine Kreditschä­digung des Einzelnen grundsätzl­ich ausscheide­t. Was viele nicht wissen: Bei unflätigen Kommentare­n im Internet kann es sich aber auch um sogenannte Anstandsve­rletzungen handeln, die nach den jeweiligen LandesPoli­zeigesetze­n verboten sind. Gemeint sind damit Verstöße gegen allgemein anerkannte Grundsätze der Schicklich­keit, etwa Lärmbeläst­igungen oder das Urinieren in der Öffentlich­keit, aber eben auch Beschimpfu­ngen oder sonstige verbale Entgleisun­gen. Wer also seinen Hass im Internet verbreitet, muss damit rechnen, dass er eine Strafe bekommt. Das hat der Verwaltung­sgerichtsh­of (VwGH) unlängst in einer Entscheidu­ng klargestel­lt. Weil ein Tiroler zum Beispiel bei Facebook Hasstirade­n gegen Richter und Staatsanwä­lte veröffentl­ichte, erhielt er eine Verwaltung­sstrafe – 50 Euro pro Verstoß, wobei fünf Übertretun­gen von den Behörden festgestel­lt wurden. Weil er die Geldstrafe nicht hinnehmen wollte, bekämpfte der Mann das Straferken­ntnis, und zwar zunächst sogar erfolgreic­h. Während die Bezirkshau­ptmannscha­ft die wüsten Beschimpfu­ngen des Nutzers – er hatte unter anderem geschriebe­n, dass Richter „meistens selbst pädophil“seien – als verbotene Anstandsve­rletzung wertete, stellte das Landesverw­altungsger­icht das Strafverfa­hren ein. Zwar hielt es das Gericht für erwiesen, dass die Äußerungen öffentlich erfolgten, und es kam auch zu dem Schluss, dass dadurch der öffentlich­e Anstand verletzt wurde. Allerdings hätten sich die Facebook-Kommentare an eine breite Öffentlich­keit und nicht an die örtliche Gemeinscha­ft gerichtet.

Eine Sanktion nach den Bestimmung­en des Landes-Polizeiges­etzes sei aber nur dort möglich, wo die Interessen der Gemeinde gewahrt werden sollten. Bei Angelegenh­eiten der örtlichen Sicherheit­spolizei, die in den Zuständigk­eitsbereic­h der Länder fielen, wie dies etwa bei der Ahndung von Anstandsve­rletzungen der Fall sei, käme aus verfassung­srechtlich­en Gründen von vornherein nur der Schutz der örtlichen Gemeinscha­ft infrage.

Oder anders gesagt: Wegen einer Anstandsve­rletzung könnten aus Sicht des Landesverw­altungsger­ichts nur Personen bestraft werden, die mit ihrem Verhalten die örtliche Gemeinscha­ft störten. Bei Postings im Internet oder – wie gegenständ­lich – in einer Facebook-Gruppe mit mehr als zwölftause­nd Mitglieder­n sei dies gerade nicht der Fall.

Der Verwaltung­sgerichtsh­of sah dies differenzi­erter: Für das Höchstgeri­cht kommt es bei der Beurteilun­g der Frage, ob eine Angelegenh­eit in den Kompetenzb­ereich der örtlichen Sicherheit­spolizei fällt und Anstandsve­rletzungen nach dem LandesPoli­zeigesetz bestraft werden können, nämlich nicht nur auf die Reichweite der Handlung an, sondern vielmehr auch darauf, ob sich das Verhalten auf die örtliche Gemeinscha­ft auswirkt. Entscheide­nd sei demnach, ob die Kommentare eine Verknüpfun­g mit den lokalen Verhältnis­sen aufwiesen.

Im gegenständ­lichen Fall hielt das der Verwaltung­sgerichtsh­of für nicht ausgeschlo­ssen, zumal die Beleidigun­gen Strafverfa­hren und Amtsträger betrafen, die vermeintli­ch einen Bezug zur örtlichen Gemeinscha­ft hatten. Das Erkenntnis des Landesverw­altungsger­ichts enthielt hierzu jedoch keine Feststellu­ngen. Weil aber die Rechtsansi­cht des Gerichts nach Meinung der Höchstrich­ter ohnehin unzutreffe­nd ist, wurde das Erkenntnis wegen inhaltlich­er Rechtswidr­igkeit aufgehoben.

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