Erst durchatmen, dann tippen
Verbalattacken im Netz. Das juristische Nachspiel kann teuer werden. Neben zivilrechtlichen Ansprüchen drohen auch Verwaltungsstrafen.
Den Mund auftun und beleidigen ist bei manchen Leuten eins. Das wusste schon der französische Schriftsteller Jean de La Bruyère im 17. Jahrhundert. Online geht Pöbeln heute besonders leicht. Aber das Netz ist kein rechtsfreier Raum. Wer andere im Internet beleidigt oder Unwahrheiten über sie verbreitet, kann zivilrechtlich vom Betroffenen zur Rechenschaft gezogen werden. Komplizierter wird es, wenn sich diese Pöbeleien („Bashing“) nicht auf eine konkrete Person beziehen, sondern beispielsweise auf eine Berufsgruppe, weil dann eine Kreditschädigung des Einzelnen grundsätzlich ausscheidet. Was viele nicht wissen: Bei unflätigen Kommentaren im Internet kann es sich aber auch um sogenannte Anstandsverletzungen handeln, die nach den jeweiligen LandesPolizeigesetzen verboten sind. Gemeint sind damit Verstöße gegen allgemein anerkannte Grundsätze der Schicklichkeit, etwa Lärmbelästigungen oder das Urinieren in der Öffentlichkeit, aber eben auch Beschimpfungen oder sonstige verbale Entgleisungen. Wer also seinen Hass im Internet verbreitet, muss damit rechnen, dass er eine Strafe bekommt. Das hat der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) unlängst in einer Entscheidung klargestellt. Weil ein Tiroler zum Beispiel bei Facebook Hasstiraden gegen Richter und Staatsanwälte veröffentlichte, erhielt er eine Verwaltungsstrafe – 50 Euro pro Verstoß, wobei fünf Übertretungen von den Behörden festgestellt wurden. Weil er die Geldstrafe nicht hinnehmen wollte, bekämpfte der Mann das Straferkenntnis, und zwar zunächst sogar erfolgreich. Während die Bezirkshauptmannschaft die wüsten Beschimpfungen des Nutzers – er hatte unter anderem geschrieben, dass Richter „meistens selbst pädophil“seien – als verbotene Anstandsverletzung wertete, stellte das Landesverwaltungsgericht das Strafverfahren ein. Zwar hielt es das Gericht für erwiesen, dass die Äußerungen öffentlich erfolgten, und es kam auch zu dem Schluss, dass dadurch der öffentliche Anstand verletzt wurde. Allerdings hätten sich die Facebook-Kommentare an eine breite Öffentlichkeit und nicht an die örtliche Gemeinschaft gerichtet.
Eine Sanktion nach den Bestimmungen des Landes-Polizeigesetzes sei aber nur dort möglich, wo die Interessen der Gemeinde gewahrt werden sollten. Bei Angelegenheiten der örtlichen Sicherheitspolizei, die in den Zuständigkeitsbereich der Länder fielen, wie dies etwa bei der Ahndung von Anstandsverletzungen der Fall sei, käme aus verfassungsrechtlichen Gründen von vornherein nur der Schutz der örtlichen Gemeinschaft infrage.
Oder anders gesagt: Wegen einer Anstandsverletzung könnten aus Sicht des Landesverwaltungsgerichts nur Personen bestraft werden, die mit ihrem Verhalten die örtliche Gemeinschaft störten. Bei Postings im Internet oder – wie gegenständlich – in einer Facebook-Gruppe mit mehr als zwölftausend Mitgliedern sei dies gerade nicht der Fall.
Der Verwaltungsgerichtshof sah dies differenzierter: Für das Höchstgericht kommt es bei der Beurteilung der Frage, ob eine Angelegenheit in den Kompetenzbereich der örtlichen Sicherheitspolizei fällt und Anstandsverletzungen nach dem LandesPolizeigesetz bestraft werden können, nämlich nicht nur auf die Reichweite der Handlung an, sondern vielmehr auch darauf, ob sich das Verhalten auf die örtliche Gemeinschaft auswirkt. Entscheidend sei demnach, ob die Kommentare eine Verknüpfung mit den lokalen Verhältnissen aufwiesen.
Im gegenständlichen Fall hielt das der Verwaltungsgerichtshof für nicht ausgeschlossen, zumal die Beleidigungen Strafverfahren und Amtsträger betrafen, die vermeintlich einen Bezug zur örtlichen Gemeinschaft hatten. Das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts enthielt hierzu jedoch keine Feststellungen. Weil aber die Rechtsansicht des Gerichts nach Meinung der Höchstrichter ohnehin unzutreffend ist, wurde das Erkenntnis wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufgehoben.