Mit dem Chef am Strand
Incentive-Reisen. Firmen locken mit Urlaub als Belohnung. Aber will man den Boss in der Badehose sehen?
Shoppen in Zürich, ein Stadtrundgang durch Basel, eine Schifffahrt auf dem Vierwaldstättersee und abends ein Galadinner samt Schlagerparty in einer Messehalle: Der US-Kosmetikkonzern Jeunesse Global hat 12.000 chinesische Verkäuferinnen in drei Gruppen auf eine Belohnungsreise in die Schweiz geschickt. Ende Mai ist die größte Reisegruppe, die die Schweiz je besucht hat, wieder abgereist. „Die hohe Teilnehmerzahl von Jeunesse Global war in der Tat sehr ungewöhnlich. Eine durchschnittliche Incentive-Reise bringt 100 bis 200 Teilnehmende in die Schweiz“, sagt Liên Burkard von Schweiz Tourismus. Derartige Besuche werden im Nachbarland häufiger: Die Zahl der Nächtigungen durch Incentive-Reisen allein aus Asien stieg in den letzten fünf Jahren um 64 Prozent auf 76.000.
Für Österreich werden dazu keine Zahlen erhoben. Den Asien-Trend kann Christoph Peterleithner aus eigener Erfahrung aber bestätigen. Er organisiert für die Salzburger Incentive-Agentur Inspiria internationale Reisen, etwa für Samsung, Microsoft oder Nespresso. „Einerseits kommen Unternehmen aus Asien nach Europa, andererseits gibt es immer mehr europäische Firmen, die dort Reisen veranstalten wollen. International ist das jedenfalls ein Markt, der wächst.“Besondere Erlebnisse seien immer stärker gefragt. „Unternehmen wollen etwas bieten, das man mit Geld nicht kaufen kann. Ein Versicherungsvertreter kann sich auch selbst ein schöne Reise leisten, aber nicht die Emotionen kaufen“, sagt Peterleithner. Deshalb engagierte man etwa jüngst für eine Versicherung bei einer Valencia-Reise einen Gewinner der Segelregatta America’s Cup oder ließ für Škoda den Katharinenpalast in St. Petersburg extra aufsperren. Ein anderer großer deutscher Versicherer organisiert über Inspiria regelmäßig drei Arten von Belohnungsreisen. Je nachdem, wie erfolgreich ein Vertreter ist, darf er eine deutsche, eine europäische oder – für die besten unter ihnen – eine internationale Destination ansteuern. Erst vor Kurzem ging es in den Oman, im Juli steht die Amalfiküste auf dem Programm.
Gerade die Versicherungsbranche setzt auf Belohnungsreisen, um ihre Verkäufer bei Laune zu halten – und geriet 2011 auch mit bedenklichen Angeboten in die Schlagzeilen. Die deutsche Versicherung Hamburg-Mannheimer hatte eine Sex-Party in Budapest für erfolgreiche Verkäufer organisiert. „Das hatte auch Auswirkungen auf Österreich. Viele Unternehmen haben danach Reisen gestoppt. Da ist einiges weggefallen“, sagt Dieter Krasa, der bei Mondial den Bereich Incentive-Reisen leitet. Er ist seit fast 30 Jahren im Geschäft. Und das hat sich stark verändert: „Die Zeiten der goldenen Eier habe ich nicht mehr erlebt“, sagt er. Ende der Achtziger war das, als Pharmafirmen noch mit Geld um sich warfen und Ärzte um die ganze Welt flogen. „Ob das wirklich Incentives waren oder reine Bestechung, darüber kann man diskutieren.“Mittlerweile sei dank strengerer Compliance-Richtlinien aber Schluss damit.
Heute werden Freizeit und Arbeit stärker verzahnt. „Die klassische Belohnungsreise, bei der es nur um den Spaß geht, gibt es seltener. Heute verknüpfen Unternehmen oft Urlaubsangebote für Mitarbeiter mit betrieblichem Nutzen“, sagt auch Patrik Weitzer, Geschäftsführer der Salzburger Geo Reisen. So werden etwa Kongresse oder Seminare an südlichen Destinationen angeboten, etwa Ägypten oder Teneriffa.
Unter dem Motto „Programmieren, wo andere Urlaub machen“lud etwa das heimische Softwareunternehmen Diamir seine Mitarbeiter im vergangenen September eine Woche lang an den kroatischen Strand ein. Entwickler, Designer, Projektmanager und Geschäftsführer arbeiteten vormittags im Hotel nahe Rovinj, nachmittags hatten die Mitarbeiter Zeit zum Schwimmen, Surfen oder Segeln. Die Firma zahlte für Unterkunft, Verpflegung und Freizeitprogramm. Der ganze Tag gilt als Arbeitszeit. „Da herrscht eine extreme Motivation, wenn man weiß: Jetzt geben wir vier Stunden lang Gas und danach geht es an den Strand“, sagt Geschäftsführer Lorenz Edtmayer. Die Diamir-Gruppe, zu der etwa Tailored Apps, Darwins Lab oder Deep Dive Digital gehören, beschäftigt viele Programmierer. Und die sind schwer zu finden. „In unserem Bereich geht es darum, die besten Talente anzuziehen. Mit der Woche am Strand wollen wir das fördern und Mitarbeiter motivieren.“Ein weiterer Vorteil: In dieser einen Woche seien fast alle Mitarbeiter an einem Ort versammelt. Sei die Terminfindung sonst oft schwierig, seien die Wege im „Beach Office“kurz: Schließlich halten sich alle im gleichen Hotel auf. „Wir haben mittlerweile rund 130 Mitarbeiter. Da kann nicht mehr jeder jeden kennen. In Kroatien werden Brücken gebaut. Die Mitarbeiter vernetzen sich.“Die Rechnung für das Unternehmen gehe auf: Die Rückmeldungen der Mitarbeiter seien sehr gut. Deshalb ist auch für den kommenden September wieder ein „Beach Office“geplant. Hat keiner Probleme damit, neben dem Chef am Strand zu liegen? „Die Einladung geht an alle Mitarbeiter. Keiner muss mitfahren, aber so gut wie alle wollen“, sagt Edtmayer. „Wir sind aber auch ein Unternehmen mit flachen Hierarchien und vielen jungen Mitarbeitern. Der Umgang ist freundschaftlich.“Er nehme auch immer wieder mit Mitarbeitern an Laufevents oder Fußballturnieren teil. Die Badehose sei also keine so große Ausnahme.
Isabella Grabner von der Wirtschaftsuniversität Wien, die zu Anreizsystemen für Mitarbeiter forscht, rät Firmen, die Gestaltung von Incentives an die Unternehmenskultur anzupassen: „Der Chef in der Badehose: Das funktioniert nicht überall. Wenn es zur Kultur passt, kann das sehr positiv sein.“Sie rät aber davon ab, die Idee eines Mitbewerbers zu kopieren, ohne darüber nachzudenken, ob das zum eigenen Betrieb passe. „Das kann richtig schiefgehen.“
Unternehmen wollen etwas bieten, das man mit Geld nicht kaufen kann. Christoph Peterleithner Inspiria Wir wollten beide Welten, Urlaub und Arbeit, miteinander verbinden. Lorenz Edtmayer Diamir