Ein Verzicht auf Karikatur ist der Start von Zensur
In den USA sind sie bereits verbannt, und ab 1. Juli erscheint auch die internationale Ausgabe der „New York Times“(NYT) ohne politische Cartoons. Damit gibt sie ein weltweit verheerendes Signal für die Presseund Meinungsfreiheit. Denn die NYT ist ein globales Leitmedium. Wenn sie vom Saumpfad der Qualitätskontrolle in den Abgrund der Selbstzensur stürzt, werden andere folgen.
Auslöser ist eine antisemitische Darstellung von Benjamin Netanjahu als Hund mit einem Judenstern am Halsband, der einen blinden Donald Trump führt. Das hätte nie veröffentlicht werden dürfen. Doch wer deshalb das Genre einstellt, schüttet das Kind mit dem Bade aus. Karikatur stammt als Wort von einem überladenen Karren. Seit Jahrtausenden gibt es solch Bildformen der Satire. Sie feiert als öffentliche Kritik fröhliche Urständ‘ – von Stermann und Grissemann bis Böhmermann. In den USA hat manch Comedian mehr politischen Einfluss als Journalisten. In Österreich war Manfred Deix stilprägend für respektlose Grenzüberschreitung per Karikatur.
Wenn Medien auf diese Außenborder des Journalismus verzichten, unterwerfen sie sich einer falsch verstandenen politischen Korrektheit. Wo sie zum Tugendterror ausartet, wird sie vom gesellschaftlichen Entwicklungsturbo zur demokratischen Motorbremse. Dass Satire alles darf, wie Kurt Tucholsky es postuliert hat, ist in einer globalisierten Welt zu hinterfragen. Doch auf Karikaturen wegen manch Fehlleistung zu verzichten ist wie die Einstellung des Autofahrens wegen der Verkehrstoten: ein Fehler.