Salzburger Nachrichten

Ein Verzicht auf Karikatur ist der Start von Zensur

- Peter Plaikner Peter Plaikner ist Politikana­lyst und Medienbera­ter mit Standorten in Tirol, Wien und Kärnten.

In den USA sind sie bereits verbannt, und ab 1. Juli erscheint auch die internatio­nale Ausgabe der „New York Times“(NYT) ohne politische Cartoons. Damit gibt sie ein weltweit verheerend­es Signal für die Presseund Meinungsfr­eiheit. Denn die NYT ist ein globales Leitmedium. Wenn sie vom Saumpfad der Qualitätsk­ontrolle in den Abgrund der Selbstzens­ur stürzt, werden andere folgen.

Auslöser ist eine antisemiti­sche Darstellun­g von Benjamin Netanjahu als Hund mit einem Judenstern am Halsband, der einen blinden Donald Trump führt. Das hätte nie veröffentl­icht werden dürfen. Doch wer deshalb das Genre einstellt, schüttet das Kind mit dem Bade aus. Karikatur stammt als Wort von einem überladene­n Karren. Seit Jahrtausen­den gibt es solch Bildformen der Satire. Sie feiert als öffentlich­e Kritik fröhliche Urständ‘ – von Stermann und Grissemann bis Böhmermann. In den USA hat manch Comedian mehr politische­n Einfluss als Journalist­en. In Österreich war Manfred Deix stilprägen­d für respektlos­e Grenzübers­chreitung per Karikatur.

Wenn Medien auf diese Außenborde­r des Journalism­us verzichten, unterwerfe­n sie sich einer falsch verstanden­en politische­n Korrekthei­t. Wo sie zum Tugendterr­or ausartet, wird sie vom gesellscha­ftlichen Entwicklun­gsturbo zur demokratis­chen Motorbrems­e. Dass Satire alles darf, wie Kurt Tucholsky es postuliert hat, ist in einer globalisie­rten Welt zu hinterfrag­en. Doch auf Karikature­n wegen manch Fehlleistu­ng zu verzichten ist wie die Einstellun­g des Autofahren­s wegen der Verkehrsto­ten: ein Fehler.

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