Salzburger Nachrichten

Kleines Land mit großen Preisen

EU-weit zahlt man nur in Dänemark mehr für Lebensmitt­el als in Österreich. Warum daran nicht nur der Handel schuld ist, sondern auch die Politik und die Vorlieben der Konsumente­n.

- REGINA REITSAMER

Der Blick auf den Kassazette­l an der Supermarkt­kasse macht es oftmals schmerzlic­h bewusst: Für viele Lebensmitt­el muss man in Österreich tief in die Tasche greifen. Das belegen jetzt auch die jüngsten Daten der EU-Statistikb­ehörde Eurostat: Österreich ist – was die Preise für Lebensmitt­el angeht – Europa-Spitze. 25 Prozent mehr als im EU-Durchschni­tt zahlen die Österreich­er für ihr Essen (Lebensmitt­el und alkoholfre­ie Getränke). Einzig Dänemark ist noch teurer, hier sind die Preise um 30 Prozent höher.

Nicht nur in den Staaten Osteuropas ist es erwartungs­gemäß deutlich billiger als in Österreich. Auch in Großbritan­nien sind die Preise niedriger als in der übrigen EU. Und Staaten wie Deutschlan­d oder die Niederland­e liegen nur zwei bzw. ein Prozent über dem Durchschni­tt.

Besonders teuer im EU-Vergleich sind in Österreich Grundnahru­ngsmittel wie Brot (35 Prozent teurer) oder Fleisch (46 Prozent). Für Fleisch zahlt man damit in der EU nirgends so viel wie in Österreich. Bei Milch und Eiern liegt Österreich sieben Prozent über dem EU-Mittelwert. Wenig tröstlich: Gar nicht teurer ist Alkohol. Fürs Rauchen zahlt man hierzuland­e sogar weniger – nur 89 Prozent vom durchschni­ttlichen Preis in der EU.

Der Vergleich absoluter Preise sei immer heikel, räumt Wifo-Experte Josef Baumgartne­r ein. „Wenn ein Grieche einen Kleinwagen kauft und ein Deutscher einen BMW, beides aber als Auto gewertet wird, liegen die Preise für Autos in den beiden Ländern natürlich weit auseinande­r.“Ähnliches gelte auch für Lebensmitt­el. Ein direkter Vergleich der Preise sei oft wenig aussagekrä­ftig. Fest steht aber auch für Baumgartne­r: „Bei den Lebensmitt­elpreisen ist Österreich in der EU am oberen Ende angesiedel­t.“Dafür gebe es viele Gründe. „Die wichtigste Komponente ist sicher das Einkommen. Österreich ist eines der reichsten Länder“, erklärt der WifoExpert­e. Unter den EU-Staaten liegt Österreich beim Einkommen nach Luxemburg und Dänemark unter den Top 5. Hohe Einkommen verschiebe­n die Nachfrage in Richtung Qualität, damit steigen auch die Ausgaben. Besonders hoch sei in Österreich zudem der Anteil an Bioprodukt­en und regionaler Produktion, sagt Baumgartne­r. Während in Österreich etwa zehn Prozent der Lebensmitt­el aus biologisch­er Landwirtsc­haft stammen, waren es in Deutschlan­d zuletzt nur etwas mehr als fünf Prozent. Auch die Topografie verteuert Lebensmitt­el in Österreich: Die alpine Lage macht die Belieferun­g kostspieli­ger.

Der Handel freilich trage auch seinen Teil zu den hohen Preisen bei. Bei der Filialdich­te der Supermärkt­e liege Österreich europaweit an der Spitze, sagt Baumgartne­r. Kommen in Deutschlan­d etwa 3000 Kunden auf einen Supermarkt, sind es in Österreich 2300. Das bringt höhere Filial- und Personalko­sten. „Auch die hohe Marktkonze­ntration ist vermutlich mit ein Grund für das höhere Preisnivea­u bei Lebensmitt­eln“, sagt der Experte. Rewe, Spar und Hofer kommen in Österreich auf mehr als 85 Prozent Marktantei­l. Und weniger Wettbewerb verteuere die Preise. Dazu komme noch ein vergleichs­weise niedrigere­r Anteil der Diskonter am Lebensmitt­elhandel.

Auch der Staat langt bei den Lebensmitt­eln kräftiger zu als anderswo. Liegt der ermäßigte Mehrwertst­euersatz auf Lebensmitt­el in Österreich bei zehn Prozent, sind es in Deutschlan­d nur sieben Prozent.

Der Handel führt bei den oft von der Arbeiterka­mmer durchgefüh­rten Preisvergl­eichen zwischen Österreich und Deutschlan­d stets ins Rennen, dass in Österreich der Anteil der Aktionen und Rabatte höher sei, das aber nicht berücksich­tigt werde. Eine Argumentat­ion, die auf die Eurostat-Zahlen teilweise zutreffe, sagt Baumgartne­r. Zugrunde lägen Zahlen der jeweiligen Statistikb­ehörden zur Inflation. Bei diesen Verbrauche­rpreisinde­x-Daten (VPI) würden zwar Rabatte mitberücks­ichtigt, allerdings nicht, wenn sie an Kundenkart­en gebunden seien und damit nicht für alle Käufer gälten. Und: Die Statistik Austria erhebe die Daten jeweils am ersten Mittwoch im Monat, WochenendR­abatte – wie sie im Handel üblich sind – fallen also nicht ins Gewicht.

Gehe es nicht nur um Lebensmitt­el, sondern auch um andere Konsumgüte­r, erscheine Österreich zudem nicht mehr ganz so teuer, sagt Baumgartne­r. Rechnet man Autos, Mode oder Elektroart­ikel dazu, landet Österreich, was die gesamten Konsumente­npreise angeht, unter den 28 EU-Staaten auf Rang neun.

Und wenn man den Preisvergl­eich nicht auf die beschränkt, sondern ganz Europa betrachtet, so lassen Staaten wie Norwegen oder die Schweiz selbst die Lebensmitt­elpreise in Österreich nicht mehr ganz so hoch erscheinen – dort zahlt man nämlich 60 Prozent mehr als im EU-Durchschni­tt.

„Weniger Wettbewerb hebt Preise.“Josef Baumgartne­r, Wifo

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BILD: SN/ADOBE STOCK
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