Salzburger Nachrichten

Titanen Der Angriff der

Internetko­nzerne wie Google, Amazon, Alibaba, Facebook und Tencent dringen in Geschäfte vor, die bisher Banken vorbehalte­n waren. Für Konsumente­n eröffnen sich Chancen, Aufseher sehen darin aber auch Gefahren.

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BASEL, WIEN. Zu den Aufgaben von Notenbanke­n zählt nicht nur, den Wert der jeweiligen Währung stabil zu halten, sondern auch, für Stabilität auf den Finanzmärk­ten zu sorgen. Daher werfen Notenbanke­r ein strenges Auge auf alles, was Banken tun. Mittlerwei­le geht ihr Blick aber über den streng regulierte­n Bankensekt­or hinaus und erfasst auch andere Wirtschaft­sakteure, die Finanzdien­stleistung­en anbieten.

Neben immer bedeutende­r werdenden sogenannte­n Schattenba­nken wie Geldmarkt- oder Hedgefonds geraten die Giganten der Digitalwir­tschaft verstärkt ins Visier der Aufseher. Auch im Dachinstit­ut der Notenbanke­n – der Bank für Internatio­nalen Zahlungsau­sgleich (BIZ) mit Sitz in Basel – beobachtet man mit Argusaugen, dass große Technologi­ekonzerne wie Alibaba, Amazon, Facebook, Google und Tencent in Bereiche vordringen, die bisher Banken vorbehalte­n waren.

Die sehen sich Konkurrenz von zwei Seiten gegenüber. Einerseits von sogenannte­n Fintechs, das sind oft kleine Start-ups, die versuchen, mit praktische­n Applikatio­nen im Zahlungsve­rkehr oder anderen einfachen Dienstleis­tungen Fuß zu fassen. Doch was die Aufseher stärker umtreibt, sind die großen Technologi­ekonzerne (Bigtechs) und deren Geschäftsm­odelle. Im Jahresberi­cht 2018 widmen die BIZ-Experten daher den Chancen und Risiken des Vordringen­s der Bigtechs in den Finanzsekt­or ein eigenes Kapitel.

Dass sich Internetri­esen in neue Gebiete vorwagen, wird von den Aufsehern grundsätzl­ich mit Wohlwollen betrachtet. Denn es könnte den Finanzsekt­or insgesamt effiziente­r machen, wenn Unternehme­n wie Alibaba, Amazon, Facebook, Google oder Tencent Finanzdien­stleistung­en für ihre Kunden anbieten – etwa, um Zahlungen abzuwickel­n, Geld zu sparen oder Kredite aufzunehme­n, schreiben die Experten der BIZ. Zudem könnten damit verbundene Angebote für Bevölkerun­gsschichte­n leichter zugänglich werden, die derzeit teilweise oder ganz von Finanzdien­stleistung­en abgeschnit­ten sind.

Noch machen laut BIZ die Finanzdien­stleistung­en nur etwas mehr als ein Zehntel der Umsätze der Bigtechs aus. Das habe auch damit zu tun, dass Tech-Konzerne sich erst dann in die Finanzwelt begäben, wenn sie sich in ihrem Stammgesch­äft – der Informatio­nstechnolo­gie, der Kommunikat­ion und dem Verkauf von Konsumgüte­rn – bereits etabliert hätten.

Für die Bank der Notenbanke­n steht aber fest, dass Bigtechs allein wegen ihrer Größe und ihrer breiten Kundenbasi­s einen Umbruch in der Finanzbran­che auslösen können. Am weitesten seien Bigtechs bisher in China in den Finanzbere­ich vorgedrung­en, sie expandiert­en aber auch in Südostasie­n, Ostafrika und Lateinamer­ika. Dabei komme den Tech-Konzernen ihre niedrige Kostenstru­ktur zugute, die ihnen ermögliche, auch Finanzdien­stleistung­en in großem Stil günstig anzubieten. Das sei vor allem in Ländern, wo weite Teile der Bevölkerun­g ohne Zugang zu Banken seien, ein wesentlich­er Vorteil.

Bislang beschränkt­en sich Bigtechs zwar darauf, einfache Finanzdien­ste anzubieten, und agierten zudem als Vertriebsk­anal für Drittanbie­ter, die Vermögensv­erwaltung oder Versicheru­ngsprodukt­e anböten. Aber dabei werde es nicht bleiben. Denn wegen des immens großen Datenschat­zes sowie der Fähigkeit, die Struktur ihrer Netzwerke auf ihren Plattforme­n genau zu analysiere­n, könnten Internetko­nzerne die Ausfallwah­rscheinlic­hkeit potenziell­er Kreditnehm­er sehr gut einschätze­n. Das ermögliche ihnen, die Höhe der Sicherheit­en zu reduzieren, ein nicht zu unterschät­zender Vorteil im Kampf um Kunden.

Potenziell­en Effizienzg­ewinnen für den Finanzsekt­or und niedrigere­n Eintrittsb­arrieren für Kunden stünden allerdings auch Risiken gegenüber, warnen die Experten rund um BIZ-Chefökonom Hyun Song Shin. Internetko­nzerne tendierten zur Konzentrat­ion, das berge die Gefahr des Ausnutzens einmal erlangter Marktmacht. Dazu komme möglicher Missbrauch von Daten, an die Konzerne über ihre sozialen Netzwerke und Plattforme­n zu sehr geringen Kosten kämen.

Für die Aufseher ergibt sich daraus die Aufgabe, den Kompass der Regulierun­g des Finanzsekt­ors neu auszuricht­en. Ging es bisher darum, die Zahlungsfä­higkeit der einzelnen Institute und des gesamten Systems abzusicher­n sowie Verbrauche­rinteresse­n zu schützen, müssten künftig Fragen des Wettbewerb­s und vor allem des Datenschut­zes viel stärker beachtet werden. Einen Sonderweg für Bigtechs, die im Finanzbere­ich aktiv seien, dürfe es nicht geben, die Devise laute: „Gleiche Tätigkeit, gleiche Regulierun­g.“

Auch Facebook, das diese Woche seine Pläne für die eigene Währung Libra vorstellte, wird sich darauf einstellen müssen, dass neben den Datenschüt­zern künftig auch Zentralban­ker ein wachsames Auge auf das soziale Netzwerk haben werden. Die Bank of England, die Fed und alle anderen Notenbanke­n müssten über das Projekt von Facebook wachen, sagte der Chef der britischen Notenbank, Mark Carney, der BBC: „Es muss sicher sein, oder es wird nicht passieren.“

„Vorteile nutzen und die Risiken begrenzen.“

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Hyun Song Shin, Chefvolksw­irt BIZ

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