Hamilton umgaben nur Statisten
Beim Großen Preis von Frankreich übertraf die Machtdemonstration von Lewis Hamilton und Mercedes sogar das Erwartete.
Lewis Hamilton und sonst nichts. Das ist nicht nur die Bilanz des Großen Preises von Frankreich am Sonntag in Le Castellet, sondern auch der aktuelle Zustand der Formel 1. Sogar seinen finnischen Mercedes-Teamkollegen Valtteri Bottas degradierte der Brite auf der Hochebene nahe der Côte d’Azur zum Statisten. Prickelnde Brisanz konnte die Formel 1 eine Woche vor dem Großen Preis von Österreich auf dem Red Bull Ring wahrlich nicht bieten.
Zu einem Hauch von Spannung kam es nach einer virtuellen Safetycar-Phase kurz vor Schluss. Aber der Monegasse Charles Leclerc konnte nur nah an Bottas herankommen. Für einen Angriff auf den Zweitplatzierten reichte es nicht. Klar ist: Leclerc, der vom Publikum für seinen dritten Rang frenetisch gefeiert wurde, tritt bei Ferrari immer mehr aus Sebastian Vettels Schatten. Dem Deutschen blieb nur Platz fünf hinter dem Niederländer Max Verstappen und ein Trostpflaster: ein Punkt für die schnellste Rennrunde mit einem Vorsprung von 0,024 Sekunden auf Hamilton, allerdings auf ganz frischen Reifen.
Sieger Hamilton gab sich große Mühe, das Ganze nicht aussehen zu lassen, als sei es eine Spazierfahrt gewesen: „Ja, es war wirklich ein gutes Wochenende. Ich habe schon viele Siege herausgefahren, aber es ist jedes Mal eine Herausforderung, diese Maschine an die Grenzen zu bringen. Es war so warm im Auto und die Strecke hat viele Unebenheiten und technische Herausforderungen. Alles ist am Limit. Das kann nur gut gehen, wenn im Team alle ihr Bestes geben. Ich bin so stolz, ein Teil dieses Teams zu sein.“
Bottas, der heuer schon mehrfach möglichen Chancen gegen Hamilton nachgetrauert hatte, redete nicht viel herum. „Da ist nicht viel passiert. Lewis war besser, er war schneller. Ich konnte sein Level nicht erreichen“, stellte der Finne fest, lieferte aber eine Kampfansage: „Ich muss weiter arbeiten. Ich weiß: Lewis ist nicht unbesiegbar.“
Der aufstrebende Monegasse Charles Leclerc wird von den Franzosen wie ein Lokalmatador behandelt. Außerdem ließen die gebürtigen Franzosen aus. Pierre Gasly wurde im Red Bull nur Elfter und Romain Grosjean im Haas kam als einziger Fahrer nicht ins Ziel. Leclerc: „Ich habe alles gegeben und musste mit den Reifen aufpassen. Gegen Ende wurde es besser, schade, dass es nicht länger gedauert hat, vielleicht wäre gegen Valtteri noch was möglich gewesen.“
Für Sebastian Vettel ging die Serie mit Pleiten, Pech und Pannen weiter. Wie Hamiltons einziger Herausforderer in der Weltmeisterschaft wirkte der vierfache Weltmeister in Le Castellet nicht. Am Beginn des Wochenendes nahmen ihn die Ereignisse von Kanada noch in Beschlag. Ferrari hatte eine Anhörung beim Automobil-Weltverband erwirkt und wollte gegen die FünfSekunden-Strafe, die Vettel den Sieg gekostet habe, vorgehen.
Die Scuderia will offenbar nicht wahrhaben, dass Vettels Ausritt in Führung liegend erst die umstrittene Situation ausgelöst hatte. Vettel kam so auf die Strecke zurück, dass Hamilton scharf bremsen musste. Die Sichtweise, wonach Vettel aus der Situation heraus nicht anders habe reagieren können, teilte das Gremium nicht und bestätigte die Strafe wegen gefährlichen Fahrens. Am Samstag patzte Vettel im Qualifying, musste von Startplatz sieben losfahren und konnte lediglich die beiden McLaren von Lando Norris und Carlos Sainz abfangen. „Das Ergebnis kann nicht unser Anspruch sein“, meinte Vettel.
Apropos McLaren. Der Aufwärtstrend beim einstigen Weltmeisterteam geht weiter. Das britische Talent Norris und der Spanier Carlos Sainz jun., langjähriges Mitglied der Red-Bull-Familie, waren mit wenig Vorschusslorbeeren in die Saison gestartet. Aber das Duo macht seine Sache so gut, dass McLarens Teamchef Andreas Seidl klarstellte: „Das Team denkt nicht daran, an einer Rückkehr von Fernando Alonso zu arbeiten.“