Salzburger Nachrichten

Der Opa und Au-pairs lotsten Gedenkdien­er nach Polen

Junge Männer, die im Ausland ihren Zivildiens­t leisten wollen, müssen sich früh engagieren. Ihre Erfahrunge­n sind besonders.

- GERALD STOIBER

Ihre Motive waren durchaus unterschie­dlich, aber als Gedenkdien­er in Polen haben zwei junge Wiener recht ähnliche Aufgaben. Die 18-Jährigen absolviere­n ihren zehnmonati­gen Wehrersatz­dienst in zwei jüdischen Museen in Krakau und Warschau.

Christoph Schwarzeck­er ist im Galicia Jewish Museum in der früheren polnischen Königsstad­t Krakau bereits in den letzten Zügen, sein Einsatz dauert bis Ende Juni. „Ich wollte nach der Matura ein Jahr etwas ganz anderes machen, weder in Wien, noch beim Heer“, erklärt Schwarzeck­er. Polen sei nur deshalb naheliegen­d gewesen, weil er als Kind mit seinem Bruder von polnischen Au-pair-Mädchen betreut wurde. „Unsere Eltern sagten, sie sollen mit uns Polnisch reden“, erzählt der Gedenkdien­er. „Ich hab das nicht als außergewöh­nlich wahrgenomm­en, wir Kinder haben darüber nicht viel nachgedach­t.“Die Wahl seines Postens traf er schon vor mehr als zwei Jahren – einerseits kannte er Krakau schon und anderersei­ts fand er den historisch­en Hintergrun­d spannend, weil die Provinz Galizien ja Teil Österreich-Ungarns war. „Mit Polnisch hatte ich einen Vorsprung, aber der Anfang war nicht mühelos“, sagt Schwarzeck­er. Daher habe er Abendkurse in Grammatik auf der Jagiellone­n-Universitä­t in Krakau belegt, denn „Polnisch hatte ich seit mehr als sieben Jahren nicht mehr wirklich gesprochen.“Mittlerwei­le komme er „auch ohne Englisch recht gut aus“.

Bei Zeno Kujawa dagegen war die Familienge­schichte ausschlagg­ebend dafür, dass er sich für einen Auslandsdi­enst in Polen interessie­rte. „Mein Großvater väterliche­rseits war ab Ende der 1980er-Jahre Diplomat in Wien.“Zeno wuchs mit seinen drei jüngeren Schwestern zweisprach­ig auf – sein Vater arbeitet als Architekt in Polen und Österreich, die Mutter in der Universitä­tsverwaltu­ng. Kujawa leistet seinen Gedenkdien­st bis Ende Juli im Museum der Geschichte der polnischen Juden in der Hauptstadt Warschau – vor den Nazi-Gräueln ein Weltzentru­m des Judentums. Mit dem Holocaust beschäftig­te er sich bereits in der Schule intensiv. „Die Möglichkei­t, mich im Rahmen meines Zivildiens­tes damit auseinande­rzusetzen, habe ich mit Freude wahrgenomm­en“, formuliert der junge Wiener. Die polnische Metropole kannte er schon vorher ein wenig, das machte die Wahl leicht.

Was gefällt den beiden Gedenkdien­ern an ihrem Auslandsjo­b? Schwarzeck­er: „Besonders gefällt es mir, Führungen durch das Museum zu geben, meistens auf Englisch für Schulgrupp­en aus Großbritan­nien.“Die positiven Rückmeldun­gen durch Lehrer oder interessie­rte Fragen der Schüler freuten ihn besonders, denn dann habe er das Gefühl, Wissen vermittelt zu haben. Kujawa gefällt es am besten, „neue Dinge über das Judentum in Polen oder Polen ganz allgemein zu lernen“. Außerdem habe er interessan­te Persönlich­keiten, darunter auch einige Holocaust-Überlebend­e kennengele­rnt. Kujawa hat viel mit Workshops und Schulklass­en zu tun. Gedenkdien­er müssen sich umfassend auf ihren Auslandsei­nsatz vorbereite­n. Dazu gehört Lektüre, aber auch der Kontakt zu den direkten Vorgängern. „Ins Ausland wollen viele, aber die Vorbereitu­ng macht den Unterschie­d“, sagt Kujawa. Mehr als die Hälfte werde nicht angenommen, ergänzt Schwarzeck­er, jedenfalls beim Verein Auslandsdi­enst, der als einzige Institutio­n Gedenk-, Friedens- und Sozialdien­st vermittelt. „Wir sind ja kein Reisebüro“, sagt Andreas Maislinger, der Gründer und Obmann des Vereins Österreich­ischer Auslandsdi­enst, über den sowohl Kujawa als auch Schwarzeck­er vermittelt wurden. Die ausführlic­he Vorbereitu­ng sei wichtig, um zu erkennen, ob es die Kandidaten ernst meinen und um sie besser kennenzule­rnen.

Finanziell haben die Gedenkdien­er in Polen übrigens Glück, denn sie kommen mit der Zivildiens­tvergütung (339 Euro im Monat) und den Auslandszu­schlägen in dem günstigen Land ganz gut durch. Wer in die USA oder nach Australien gehe, müsse draufzahle­n.

Über ihr Gastland schwärmen beide. „Mir gefällt Warschau mittlerwei­le ziemlich gut und mich hat vor allem überrascht, wie grün und modern die Stadt ist“, so Kujawa. Christoph Schwarzeck­er stellte in Krakau fest, dass es „hier gar nicht so anders ist als zu Hause. Die Leute sind so, wie man es von Ausländern über Österreich­er hört: zu Beginn zurückhalt­end, aber sehr freundlich, je besser man sie kennt.“

Nach dem Gedenkdien­st wollen beide studieren. Schwarzeck­er will zurück nach Wien und auf der Wirtschaft­suni einen englischen Bachelor machen. Kujawa denkt an Wirtschaft­smathemati­k und Statistik, muss sich aber noch zwischen Schottland, den Niederland­en und der Bundeshaup­tstadt entscheide­n.

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BILD: SN/PRIVAT Zeno Kujawa aus Wien leistet derzeit Gedenkdien­st im Jüdischen Museum in Warschau. Linkes Bild: Christoph Schwarzeck­er aus Wien führte auch die Zweite Nationalra­tspräsiden­tin Doris Bures durch das Galicia Jewish Museum in Krakau.

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