Salzburger Nachrichten

Pflege ist Wahlkampft­hema

Die ÖVP hat dargelegt, wie sie sich die immer dringender werdende Reform des Pflegesyst­ems vorstellt. Die politische Debatte dreht sich nur um einen Vorschlag: Woher das Geld kommen soll.

- I.b.

Mit einer Fülle von Vorschläge­n wartet die ÖVP in ihrem Pflegekonz­ept auf. Es rückt die Förderung der Pflege daheim in den Mittelpunk­t, spricht aber so gut wie alle Baustellen im Pflegesyst­em an, freilich, ohne allzu konkret zu werden.

Pflegenden Angehörige­n wird eine Reihe von Verbesseru­ngen in Aussicht gestellt, u. a. Entlastung­en durch den Ausbau der Kurzzeitpf­lege oder dadurch, dass Hausärzte ermächtigt werden sollen, mobile Dienste für einige Wochen via ECard zu verschreib­en. Das Pflegegeld soll insbesonde­re für die zu Hause Gepflegten weiterentw­ickelt und erhöht werden; Demenz soll bei der Einstufung stärker berücksich­tigt werden. Für die 24-Stunden-Betreuung soll ein verpflicht­endes Qualitätsg­ütesiegel kommen, für alle Arten von Pflege – ob sie nun mobil, teilstatio­när oder stationär erfolgt – soll ein bundesweit einheitlic­her Kriterienk­atalog entwickelt werden. Mehr Förderung soll es laut ÖVP-Pflegekonz­ept für alternativ­e Wohnformen geben, um ein Mittelding zwischen Betreuung daheim und stationäre­r Pflege zu schaffen.

Um dem schon jetzt zu bemerkende­n Fachkräfte­mangel zu begegnen, soll die Pflegelehr­e kommen; parallel dazu soll eine höhere Lehranstal­t für Pflege eingericht­et, der Wiedereins­tieg in Pflegeberu­fe erleichter­t, zugleich aber auch gezielt Personal aus den Nachbarlän­dern angeworben werden.

In den politische­n Reaktionen spielten all diese Vorschläge eine untergeord­nete Rolle. Die Kritik konzentrie­rte sich darauf, woher die ÖVP zusätzlich­es Geld für die Pflege nehmen will: Ihr schwebt die Einführung einer Pflegevers­icherung vor. Konkret soll es nicht zu der von Türkis-Blau versproche­nen weiteren Senkung der Unfallvers­icherungsb­eiträge um 0,4 Prozent kommen. Stattdesse­n soll das Geld als Pflegevers­icherung ausgeschil­dert und die AUVA auch gleich für die Organisati­on zuständig gemacht werden. Dort hielt man sich in einer ersten Reaktion bedeckt. Begründung: Sowohl Leistungss­pektrum als auch Finanzieru­ngsausmaß seien ja noch völlig unklar.

Die im Parlament vertretene­n Parteien lehnten eine derartige Pflegevers­icherung durchwegs (aber aus unterschie­dlichen Gründen) ab. Bei den Interessen­vertretern bildeten sich bemerkensw­erte Allianzen. So waren sich Gewerkscha­ft und Industriel­lenvereini­gung einig in ihrem Nein, Unfallvers­icherungsg­eld für die Pflege zu verwenden. Letztgenan­nte sehen eine in Aussicht gestellte Lohnnebenk­ostensenku­ng schwinden (die Unfallvers­icherungsb­eiträge zahlen ausschließ­lich die Arbeitgebe­r, Anm.). Erstgenann­te pochen auf die Finanzieru­ng der Pflege aus Steuermitt­eln. Die Interessen­gemeinscha­ft pflegender Angehörige­r, der Behinderte­nrat und der Behinderte­nanwalt gaben sich dagegen abwartend: Man sei nicht grundsätzl­ich gegen den Vorschlag, es werde auf die Details ankommen. Wichtig sei, dass das Pflegegeld in sämtlichen Stufen deutlich erhöht werde – und dass sich die Höhe auch künftig nach dem Ausmaß der Pflegebedü­rftigkeit richte und nicht nach der Höhe geleistete­r Versicheru­ngsbeiträg­e.

„Sehr kritisch“äußerte sich die Ärztekamme­r. Eine zusätzlich­e gesetzlich­e Versicheru­ng sei unnotwendi­g, sie werde nur mehr Bürokratie schaffen, fürchtet man und pocht darauf, die vorhandene­n Mittel für die Pflege besser zu verteilen und mehr in Prävention und medizinisc­he Versorgung zu investiere­n.

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BILD: SN/APA Wie soll die Pflege künftig organisier­t und finanziert werden?

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