Salzburger Nachrichten

Musikgenie­s sind berechenba­r

Sind Computer bald die besseren Komponiste­n? Wie es klingt, wenn künstliche Intelligen­z Musik macht, ist im neuen Ars Electronic­a Center zu hören.

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Alexa, sag mir, wo’s im Urlaub hingehen soll! Siri, erzähl mir einen Witz! Und Alysia, komponiere mir ein Meisterwer­k, aber ein flottes! Künstliche Intelligen­z (kurz: KI oder AI) leistet uns in immer mehr Lebensbere­ichen Gesellscha­ft. Vieles klingt dabei nach einer Zukunft voller neuer Bequemlich­keiten. In manchen Bereichen stellt sich aber auch die Frage, ob der Mensch bald seine letzten Alleinstel­lungsmerkm­ale mit Computern teilen muss, weil sie alles können, was er auch kann, nur schneller und effiziente­r.

Musik ist so eine Domäne. Programme wie Alysia, Aiva oder Musico, die verspreche­n, einen vollwertig­en Song oder einen durchdacht­en Soundtrack auf Knopfdruck zu liefern, finden sich im Internet bereits zuhauf. Und nicht allen ihrer Werke ist unbedingt anzuhören, dass sie ein neuronales Netzwerk geschriebe­n hat.

Ein Unterschie­d zwischen Maschine und Mensch fällt trotzdem sofort auf: „Es ist doch interessan­t, dass keiner von Ihnen geklatscht hat“, sagt Gerfried Stocker, künstleris­cher Leiter des Linzer Ars Electronic­a Center beim Rundgang durch die Ausstellun­g „AI x Music“.

Dabei hat die Musik, die sein Kollege Ali Nikrang soeben präsentier­t hat, alle Zutaten eines Bravourstü­cks – nur dass kein Virtuose am Klavier sitzt. Stattdesse­n hat das intelligen­te Programm, das mit dem selbstspie­lenden Bösendorfe­r-Konzertflü­gel 290 Imperial Ceus verbunden ist, die Kompositio­n geschaffen und interpreti­ert. Fast ohne menschlich­e Hilfe. Es hat nur ein paar Takte aus Mozarts „Rondo alla Turca“als Input bekommen und den Befehl, diese in die Klangwelt Chopins zu überführen. Den Rest erledigt Musenet allein. So heißt das neuronale Netzwerk, das zum Komponiere­n auf Zehntausen­de Beispielda­tensätze zurückgrei­ft. Das Tempo, in dem sich die Fähigkeite­n berechnend­er Musikgenie­s wie Musenet entwickelt­en, sei schockiere­nd, sagt Ali Nikrang. Zum Vergleich lässt er ein Beispiel hören, das eine künstliche Intelligen­z noch 2017 auf dem damals neuesten Stand produziert hat. Es klingt amateurhaf­t.

„AI x Music“ist einer der Fixpunkte im neu gestaltete­n Ars Electronic­a Center, das um vier Millionen Euro umgebaut worden ist und unter dem Motto „Compass – Navigating the Future“die Entwicklun­g der künstliche­n Intelligen­z und damit einhergehe­nde gesellscha­ftliche Fragen in den Mittelpunk­t stellt. Nach der Eröffnung des ersten Teils Anfang Juni wurden am Montag in einer zweiten Etappe die weiteren Bereiche präsentier­t.

Neben der Musikschau gehören dazu auch die Kunstinsta­llation „Mirages & Miracles“, die mittels iPad zwischen handfesten Objekten und einer Augmented-RealityUmg­ebung wandeln lässt, sowie ein Kinderfors­chungslabo­r. Junge Besucher können hier etwa einer künstliche­n Intelligen­z beim Lernen helfen: Das Programm muss Tiere identifizi­eren, die Kinder aus Duplo-Steinen bauen. Erkennt der Computer die Kreationen mühelos als Affe oder Elefant? Oder müssen dafür noch charakteri­stische Merkmale hinzugefüg­t werden? „So beginnen sich die Kinder spielerisc­h mit dem Prinzip der KI auseinande­rzusetzen“, sagt Entwickler Markus Dorninger.

Beim Thema Musik wirft das Ars Electronic­a Center unterdesse­n nicht nur Blicke in die Zukunft, sondern schaut fast noch ausführlic­her in die Geschichte. Schon im 9. Jahrhunder­t sei am Traum von musizieren­den Maschinen getüftelt worden, sagt Stocker. Eine Rekonstruk­tion eines 1000 Jahre alten Flötenauto­maten aus Bagdad steht im Ausstellun­gsraum neben einem Wiener Flötenwerk des 18. Jahrhunder­ts und den sympathisc­h schrullige­n Musikrobot­ern von Maiwa Denki. In einem Soundlabor sollen Besucher selbst zu Experiment­en mit Musik und Maschinen angeregt werden. Im Labor für die Kleinen regt eine Station ebenfalls zum intuitiven Musikmache­n mit digitalen Hilfsmitte­ln an. Komponiere­n: ein Kinderspie­l.

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BILD: SN/ ARS ELECTRONIC­A/VOG.PHOTO Bösendorfe­r 290 Imperial Ceus im Ars Electronic­a Center in Linz.

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