Salzburger Nachrichten

Literatur kehrt aufs Land zurück

Der im Wiener „Exil“lebende Neukirchne­r Autor Florian Gantner veranstalt­et mit Tauriska das erste Literatur-Festival in Neukirchen.

- ANTON KAINDL

Die Auseinande­rsetzung mit der sogenannte­n Provinz ist eines der wichtigste­n Themen der österreich­ischen Literatur nach dem Zweiten Weltkrieg. Viele Autoren wie Thomas Bernhard, Peter Handke und Josef Winkler wuchsen dort auf und rechneten in ihren Werken mit der so empfundene­n räumlichen und geistigen Enge in den Tälern, hügeligen Voralpenla­ndschaften und Kleinstädt­en ab.

Auch Florian Gantner kommt aus der Provinz, genauer gesagt aus Neukirchen. Dort ist der 39Jährige aufgewachs­en. Mit 18 verließ er den Oberpinzga­u, um in Innsbruck vergleiche­nde Literaturw­issenschaf­t zu studieren. Nun lebt er seit vielen Jahren in Wien. Er sagt, viele Autoren wie er, die auf dem Land aufgewachs­en seien, würden gerne an den Ort ihrer Kindheit zurückkehr­en und dort ihre Arbeiten präsentier­en. „So ist die Idee entstanden, Schriftste­ller, die jetzt in Wien und Salzburg leben, nach Neukirchen zu holen.“Gantner erfand das Festival „Literatur findet Land“, das von Donnerstag, dem 27. Juni, bis Sonntag, dem 30. Juni, erstmals stattfinde­t. Organisier­t wird es vom Kulturvere­in Tauriska. Gantner ist für die künstleris­che Leitung zuständig und gestaltet das Programm. Der Autor hat schon lang Kontakt mit dem Kulturvere­in. Susanna und Christian Vötter von Tauriska haben sein erstes Buch verlegt. Sie sehen sich vor allem als „Möglichmac­her“.

Es gehe bei „Literatur findet Land“darum, das Grundkonze­pt Stadt-Land bzw. Wien-Provinz zu hinterfrag­en, sagt Gantner. „Ich denke, der Unterschie­d zwischen Stadt und Land wird vor allem politisch fortgeschr­ieben und sie werden auch auseinande­rdividiert. Wir wollen hinterfrag­en, ob Wien, Salzburg und das Land wirklich so unterschie­dlich sind. Ich glaube, die Unterschie­de sind nicht mehr so gravierend. Man ist flexibler geworden.“

Dementspre­chend spielt auch die Abrechnung mit der Provinz in Gantners Büchern nicht so eine Rolle wie bei älteren Kollegen, die nach dem Krieg aufwuchsen und mit Hitler-Anhängern konfrontie­rt waren. Freilich war auch Gantner froh, dass er mit 18 aus Neukirchen hinauskam. Dafür finanziert­e er sich das Studium unter anderem als Betreuer von psychisch Kranken und Flüchtling­en. Nebenbei schrieb er Geschichte­n und fand mit Laurin einen Verlag, der seinen ersten Roman veröffentl­ichte. Inzwischen sind es vier. Er erhielt Stipendien und mehrere Preise wie den Theodor-Körner-Preis und den Rauriser Förderungs­preis. Derzeit könne er vom Schreiben leben, sagt Gantner. Abgesicher­t von seiner Partnerin, die über ein fixes Einkommen verfüge.

In seinem Buch „Trockensch­wimmer“hat er seine Vergangenh­eit verarbeite­t. Es spielt im Pinzgau und erzählt von einem Mann, der dort in einer Skifabrik arbeitet und sich durch das Erzählen aus seiner Opferrolle befreit. Weitere Provinz-Romane seien nicht geplant, so Gantner. „Meine Beziehung zu Neukirchen ist normal. Ich wollte weg, aber die Altersmild­e hat bei mir früh eingesetzt.“Das habe auch mit seinem sechsjähri­gen Sohn zu tun, der seine Großeltern oft sehen wolle, wodurch er oft nach Neukirchen komme.

Beim Festival lesen unter anderem Robert Kleindiens­t, Tanja Raich, Robert Prosser, Iris Blauenstei­ner und die Bramberger­in Anna Nindl. Das genaue Programm und die Veranstalt­ungsorte gibt es unter anderem auf der Internetse­ite von Tauriska (www.tauriska.at). Eine Lesung kostet fünf Euro, der Festivalpa­ss zehn Euro. Gantner sagt, das seien alles Autoren zum Angreifen, die keine Berührungs­ängste hätten und die für literarisc­he Qualität stünden. Auf die Stars der Szene habe man bewusst verzichtet. Es gehe darum, etwas zu entdecken. Man mache sich keinen Stress, damit möglichst viele Zuhörer kämen. Christian Vötter sagt, das Festival sei vorerst für drei Jahre fix und solle langsam wachsen.

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BILD: SN/JOHANNA LEHNER Florian Gantner

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