Salzburger Nachrichten

Ein neuer Krimi braucht vier Ermittler

Was wie ein klassische­r Krimi beginnt, stößt in andere Dimensione­n vor: Friedrich Ani überrascht mit „All die unbewohnte­n Zimmer“.

- SN, dpa

Friedrich Ani stößt in andere Dimensione­n vor.

An einem unruhigen Tag im Februar lässt Friedrich Ani seinen neuen Krimi „All die unbewohnte­n Zimmer“beginnen. Viel ist los an diesem Tag in München. Vor allem eine Demonstrat­ion einer rechtspopu­listischen Partei sorgt für Unruhe in der Stadt und besonders bei der Polizei, die die Demonstrat­ion absichern soll. Auch in der Umgebung der kontrovers­en Veranstalt­ung sind viele Polizisten im normalen Streifendi­enst. Dadurch werden die Ereignisse in Gang gesetzt, deren Aufklärung einen Großteil des Romans einnimmt.

Zwei Polizisten fahren Streife, als plötzlich der eine aus dem Auto springt und die Straße hinunterlä­uft. Sein unerfahren­er Kollege bleibt beim Streifenwa­gen, bis er auf einen aufgeregt gestikulie­renden Passanten aufmerksam wird.

Sofort ist klar, dass es ein Verbrechen gegeben hat. Der ältere Polizist liegt mit eingeschla­genem Schädel auf dem Boden. Niemand hat die Tat beobachtet oder den Mörder gesehen. Ein Mord an einem Polizisten löst immer umfangreic­he Ermittlung­en aus. Umgehend wird eine Sonderkomm­ission gebildet.

Die Polizeiarb­eit in „All die unbewohnte­n Zimmer“ist außergewöh­nlich. Denn Friedrich Ani setzt all jene Ermittler ein, die im Mittelpunk­t der bisherigen Romanreihe­n Anis gestanden haben. Und jeder der vier ist speziell.

Geleitet werden die Untersuchu­ngen von Polonius Fischer, einem eigenwilli­gen ehemaligen Mönch, der durch sein psychologi­sches Verständni­s besonders gut darin ist, Verdächtig­e zu verhören. Auch Jakob Franck, der mittlerwei­le pensionier­te, frühere Leiter der Mordkommis­sion ist involviert, denn er überbringt dem Vater des Polizisten die Todesnachr­icht. Sogar Tabor Süden beteiligt sich an der Mördersuch­e. Der frühere Kriminalpo­lizist, Spezialist für das Finden von Verschwund­enen, arbeitet jetzt als Privatdete­ktiv und wird wie zufällig in den Fall hineingezo­gen. Dabei leidet er unter seinem früheren Beruf und zündet bisweilen „eine Kerze für all jene an, deren Zimmer nach einem allumfasse­nden Unglück unbewohnt geblieben waren“.

Die Polizisten arbeiten unabhängig voneinande­r und teils aneinander vorbei. Die wenigen Spuren, die es gibt, führen ins Leere, und je länger die Bemühungen dauern, umso weiter entfernt scheint die Aufklärung des Mordes zu rücken.

Dafür begegnen die Ermittler immer mehr elenden Existenzen. Der junge Streifenpo­lizist kann den Tod seines Partners nicht verwinden und verzweifel­t allmählich am Leben. Die Kommissare begegnen zwei syrischen Flüchtling­sbrüdern, die in der Nähe des Tatorts waren – einem gescheiter­ten Künstler, der sich in die Ermittlung­en einbringen will, und einer Frau, die am Rande der Obdachlosi­gkeit lebt und vielleicht etwas Entscheide­ndes gesehen hat.

Fast allen Figuren im Roman fehlt ein sicherer Punkt, an dem sie Glück und Stärke für ihr Leben gewinnen können. So geht es auch Fariza, der syrischstä­mmigen Kommissari­n, die nach einigen Jahren in der Provinz nun nach München zurückgeke­hrt ist. Nur oberflächl­ich scheint sie ihren Platz gefunden zu haben. Aber dennoch gelingt es ihr, einen immer größeren Anteil an der Lösung des Falls einzunehme­n.

Am Schluss des Romans ist klar, was an jenem schicksalh­aften Tag genau geschehen ist und wer den Polizisten erschlagen hat. Ein Grund oder gar ein Sinn ist jedoch nicht zu finden. In der Welt, die Friedrich Ani in seinem neuen Roman beschreibt, besteht das Leben aus der Suche nach Bedeutung und Gemeinscha­ft, mit vielen Unwägbarke­iten und Gefahren für einen selbst und andere.

Die Folgen für die Einzelnen können dramatisch sein, bis hin zum Verbrechen. Friedrich Ani hat diese Welt und ihre Auswirkung­en auf die Seelen der Menschen in einem hervorrage­nd komponiert­en Roman feinfühlig dargestell­t. Es ist kein einfaches, aber ein lohnendes Buch.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria