Nach 50 Jahren greifen die Supermächte wieder nach dem Mond
Millionen Zuschauer sahen gebannt zu, wie Neil Armstrong am 21. Juli 1969 als erster Mensch seinen Fuß auf den Mond setzte.
Am 21. Juli 1969 landeten die ersten Menschen auf dem Mond. 1972 ging das Zeitalter der Mondfahrt wieder zu Ende – es gab keine Mittel mehr für Prestigemissionen. Jahrzehnte später ist der Mond wieder in Mode. Ein zweites Wettrennen ist in Gang, an dem sich die USA, Russland, aber auch China und Indien beteiligen. In den nächsten fünf Jahren sollen wieder Astronauten Fußspuren im Mondstaub hinterlassen. Dabei wird der Mond vor allem als Zwischenstation auf dem Weg zum Mars gesehen.
THOMAS SPANG WASHINGTON.
Bis zum Aufsetzen sind es nur noch wenige Hundert Meter. Neil Armstrong sucht einen Landeplatz für seinen Adler („Eagle“). Doch der Kommandant der „Apollo“-Raumkapsel sieht nur Felsen unter sich. Plötzlich gerät das Raumschiff ins Schlingern. CoPilot „Buzz“Aldrin meldet einen drastischen Höhenabfall. Das Kontrollzentrum in Houston rät zum Abbruch des Landeversuchs. Vergebens – die Regieanweisung kommt knapp anderthalb Sekunden zu spät für ein Umdisponieren.
Das Raumschiff schlägt hart auf, die Kapsel zerbricht beim Aufprall. Eine Katastrophe, die glücklicherweise nur auf dem Flugsimulator eintrat, wo Armstrong und Aldrin drei Wochen vor der tatsächlichen Mondlandung für den Ernstfall übten: zum Mond fliegen, landen und aussteigen.
Vier Tage, vier Stunden und 14 Minuten nach dem Start haben Armstrong und Aldrin am 21. Juli (MEZ) wieder die Mondoberfläche vor Augen, während Michael Collins, der dritte Mann der „Apollo“Besatzung, das Raumschiff um den Mond kreisen lässt. Rund 380.000 Kilometer von der Erde entfernt kommt der schwierigste Teil der Mission – die Landung.
Der Treibstoff reicht nur noch für Sekunden. Der Untergrund erscheint wie in der Simulation wenig einladend. Weitersuchen ist zwecklos. Ein Touchdown auf Verdacht gelingt – acht Kilometer weiter als ursprünglich berechnet, in einer Ebene, die Mare Tranquillitatis heißt. „Der Adler ist gelandet“, meldet die Crew.
Was danach folgt, ist Geschichte. Um 22.56 Uhr Houston-Zeit berührt Armstrong mit seinen Füßen als erster Mensch den Mondboden. „Das ist ein kleiner Schritt für einen Menschen, ein großer Sprung für die Menschheit“, sagt Armstrong beim Ausstieg. Die Astronauten sammeln 22 Kilogramm Mondgestein ein, pflanzen die US-Fahne und sprechen kurz mit Präsident Richard Nixon.
Zwei Stunden später verlassen sie den Mond. Zurück blieben Hinterlassenschaften wie ein Seismometer und der Unterbau des Landegefährts mit einer Botschaft an künftige Astronauten oder Außerirdische. „Hier betraten Menschen vom Planeten Erde zum ersten Mal den Mond, Juli AD 1969. Wir kamen in Frieden für die ganze Menschheit.“
Das bis dahin vermutlich größte Medienereignis aller Zeiten zieht rund 600 Millionen Menschen weltweit in seinen Bann. Allein in den USA verfolgen 94 Prozent der Haushalte live die Schwarz-WeißBilder, wie Armstrong zum Sprung von der „Eagle“-Leiter auf den Mondstaub ansetzte und Aldrin 19 Minuten später folgte.
Die „Apollo“-Mission hatte auch eine politische Dimension. Im April 1961 war die Invasion in der kubanischen Schweinebucht gescheitert. Dann traumatisierten die Morde an Martin Luther King und John F. Kennedy die Nation. Dass die Sowjets mit dem Start des ersten künstlichen Satelliten namens „Sputnik“und der ersten Erdumkreisung durch Juri Gagarin auch im Wettlauf um das All die Nase vorn hatten, kratzte mächtig am Ego der Nation.
Mit der „Eroberung“des Mondes fühlten sich die USA im Systemwettstreit rehabilitiert. Die Vision dafür stammte noch von US-Präsident Kennedy, der am 25. Mai 1961 grünes Licht für die „Apollo“-Mission gegeben hatte. Genau 43 Tage nach Gagarins Coup im All schwor er die Amerikaner darauf ein, vor Ablauf der Dekade „einen Mann auf den Mond zu bringen und sicher wieder zurück zur Erde“.
Die neue Front der Pioniernation lag nicht mehr im Westen, sondern im All. Und die „Apollo“-Mission verstand sich als Variante des amerikanischen Traums. Sie war in jeder Hinsicht eine Herausforderung – technisch, logistisch und finanziell. Die USA stellten dafür einen Etat in Höhe von 25 Milliarden USDollar bereit, beteiligten 20.000 Firmen und Institute und beschäftigten rund 400.000 Menschen.
Am 10. Jänner 1969 präsentierte die NASA die „Apollo“-Crew. Dazu gehörten Armstrong als Kommandant, Aldrin, der zweite Mann auf dem Mond und zuständig für den Kontakt zur Erde, sowie Collins, dem als Pilot die Aufgabe zufiel, das Raumschiffs an sein Ziel zu steuern. Angesichts der rund sechs Millionen verbauten Einzelteile widmete die NASA dem Thema Sicherheit ganz besondere Aufmerksamkeit.
Für die Trägerrakete zeichnete Wernher von Braun verantwortlich; der geniale wie umstrittene Raketenbauer hatte für die Nazis in Peenemünde die Langstreckenrakete „V2“entwickelt. In einer Geheimoperation der US-Army lief er nach Kriegsende zu den Amerikanern über. Für die „Apollo 11“-Mission entwickelt er die „Saturn V“. Sie war 110 Meter hoch, fast 2900 Tonnen schwer und ist mit rund 160 Millionen PS die bis heute antriebsstärkste Rakete.
Ungeachtet dessen bleiben Millionen Menschen der festen Überzeugung, es habe niemals eine Mondlandung gegeben – auch nicht bei den späteren „Apollo“-Flügen. Alles sei eine gewaltige Täuschung. Bilder, Filme und TV-Übertragungen der historischen Szenen stammten stattdessen aus einem geheimen Fernsehstudio in einem streng geheimen Militärgelände in der Wüste Nevada.
„Buzz“Aldrin, der extrovertierteste unter den drei Crew-Mitgliedern, fand das 2002 nicht mehr witzig. Als ein notorischer Leugner der Mondlandung ihn öffentlich dazu zwingen wollte, mit der Hand auf der Bibel zu schwören, dass er auf dem Mond gewesen sei, verlor er die Geduld. Seine ausgestreckte Hand legte er nicht auf die Heilige Schrift, sondern sie landete krachend auf dem Kinn des Widersachers.
Debatten wie diese können die US-Konkurrenz im All bestenfalls amüsieren. Neben den Russen investieren auch Indien und Israel in die Weltraumforschung, vor allem aber China. Nationalstolz und strategisches Interesse sind heute wie damals die treibenden Kräfte.
Auch Donald Trump will noch einmal zum Mond. Schon kurz nach seinem Amtsantritt meldete „Politico“, bereits 2020 sollen US-Astronauten wieder Fußabdrücke im Mondstaub hinterlassen. Daraus wird vermutlich nichts mehr. Bei einer Wiederwahl Trumps soll aber 2024 eine neue Mission auf den Mond seine zweite Amtszeit krönen. Eine kuriose Obsession, die viele seiner Vorgänger im Weißen Haus teilten. Wie diesen geht es Trump nicht nur um persönliches Prestige, sondern um die Vorherrschaft der USA im All. Anders als in den 1960erJahren geht es heute auch um den ökonomischen Kampf, um Tourismus und Bodenschätze. Von den drei Helden von einst machten sich zwei später ziemlich rar. Armstrong zog sich komplett zurück und Collins ging lieber angeln, als seinen Ruhm zu vermarkten. Nur Aldrin, den alle nur „Buzz“nannten, weil seine kleine Schwester das Wort „Brother“(Bruder) nicht richtig aussprechen konnte, meldete sich regelmäßig zu Wort. „Man kann das Leben danach gar nicht richtig aushalten“, resümierte er Jahrzehnte später. Seinen Gemütszustand nach dem MondRendezvous beschrieb er geradezu prosaisch als „Melancholie der erfüllten Aufgabe“.
Was irgendwie auch auf die USA zutrifft. Die „Apollo 11“-Mission bescherte dem Land den erfolgreichsten nicht militärischen Sieg gegenüber der Sowjetunion. Zu allerdings sündhaft teuren Konditionen. Nach Armstrong und Aldrin landen noch fünf weitere US-Raumschiffe auf dem Mond. Insgesamt zwölf Männer hatten Bodenkontakt mit dem Planeten. 1972 ging das Zeitalter Mondfahrt rapide zu Ende. Es standen keine Mittel mehr für derlei Prestige-Missionen zur Verfügung. Seitdem hat kein Amerikaner mehr einen Fuß auf den Mond gesetzt.