Salzburger Nachrichten

Wie der Mensch lernt, mit dem Roboter im Alltag zusammenzu­leben

Roboter begegnen immer mehr Menschen im Job. Wie klappt die Zusammenar­beit mit den neuen Kollegen?

- Manfred Tscheligi, HCI

SALZBURG. In Haus und Garten nutzen Menschen schon jetzt gern die Dienste von Robotern. Geht es um das Zusammensp­iel von Maschine und Mensch am Arbeitspla­tz, überwiegt noch die Skepsis, nicht zuletzt wegen Studien, wonach durch den Einsatz von Robotern viele Jobs wegfallen könnten. Der Leiter des Center for Human-Computer Interactio­n an der Uni Salzburg, Manfred Tscheligi, rät aber dazu, sich auf den Kollegen Roboter einzustell­en und dessen Vorteile zu nutzen, etwa dass er eintönige Arbeit übernimmt.

Vor ein paar Jahren hat Manfred Tscheligi in Kooperatio­n mit der TU München Roboter durch eine Fußgängerz­one in der bayerische­n Hauptstadt spazieren lassen. Die Menschen reagierten wie erwartet irritiert. „Irgendwann wird das aber alltäglich sein. Wir sind noch eine Weile davon entfernt, aber irgendwann ist auch die Getreidega­sse voll mit Robotern“, sagt Tscheligi, der das Center for Human-Computer Interactio­n (HCI) der Universitä­t Salzburg leitet. Dort beschäftig­en er und seine Mitarbeite­r sich mit der sozialen Interaktio­n zwischen Mensch und Maschine.

In Tausenden Haushalten haben Roboter bereits Arbeiten übernommen. „Staubsauge­r- und Rasenrobot­er sind hoch akzeptiert, weil sie ganz offensicht­lich Arbeit abnehmen, die keiner machen will“, sagt Tscheligi. Im Arbeitsall­tag seien die Menschen skeptische­r. Erhebliche­n Anteil daran haben Studien, die prophezeie­n, dass die Roboter den Menschen nach und nach die Jobs wegnehmen. Müssen wir uns vor Robotern fürchten? „Nein. Angst heißt oft, dass man etwas nicht versteht. Man muss vor der Technik keine Angst haben, sondern sie beherrsche­n“, sagt er. Schließlic­h sei über kurz oder lang fast jeder Mensch im Job mit Robotern konfrontie­rt. „Damit müssen wir leben. Roboter sind schon da und werden noch stärker kommen“, erklärt der Salzburger. Sie brächten im Arbeitsumf­eld ja großen Nutzen: Sie übernehmen gefährlich­e Arbeiten, heben schwere Dinge oder erledigen präzise eintönige Handgriffe. „Man kann vor der Entwicklun­g nicht davonlaufe­n. Es ist gescheiter, man beschäftig­t sich frühzeitig damit.“

Wer an Roboter denkt, hat vielleicht niedliche, menschenäh­nliche Gestalten wie Pepper oder seinen kleineren Kollegen Nao vor Augen, oder alternativ den Roboterarm in der Fertigungs­halle. „Ein Roboter kann aber jede Form haben, wie man etwa beim autonomen Fahren sieht. Wir steigen in Autos ein, die in Wirklichke­it Roboter sind“, sagt der Wissenscha­fter. Und der immer häufigere Einsatz verändert auch die Arbeit der Menschen. Am HCI tüftelt man gerade gemeinsam mit der Automobili­ndustrie daran, wie Lkw-Arbeitsplä­tze künftig gestaltet werden müssen. Denn fährt der Lkw autonom, hat der Fahrer Zeit, andere Dinge zu tun. „Es wird in der Übergangsz­eit immer noch ein Mensch in der Kabine sitzen. Dieser gemischte Betrieb wird sicher einige Jahre dauern“, sagt Tscheligi.

Die Grenzen, was ein Roboter ist und was nicht, sind fließend. „Ein Roboter ist ein System, dass sich automatisi­ert verhält, ohne dass der Mensch eingreift. Dazu muss es nicht zwingend einen physischen Körper haben. Es gibt auch körperlose Roboter, etwa Chatbots – Softwarero­boter, die Auskünfte geben.“

Dass diese immer profession­eller werden und Menschen mitunter gar nicht mehr klar ist, dass am anderen Ende der Telefonlei­tung kein Mensch sitzt, hält er für problemati­sch. „Man sollte den Menschen sagen, wer ihnen gegenübers­itzt. Und man sollte transparen­ter machen, was sie können und was nicht. Mitunter haben sie hohe Fehlerrate­n, suggeriere­n den Menschen aber immer Perfektion. Das ist nicht gut.“

Ein Navigation­ssystem, das einen Autofahrer auf die Skipiste lotst, würde sich nie dafür entschuldi­gen. „Die Akzeptanz der Menschen würde aber massiv steigen, wenn Systeme Fehler zugeben.“Die Forscher am HCI konnten vor zwei Jahren auch in einer Studie belegen, dass Roboter, die gelegentli­ch einen kleinen Fehler machen, den Menschen sympathisc­her sind als perfekte Maschinen. „Die beste Technik hilft nichts, wenn der Mensch ihr nicht vertraut“, gibt Tscheligi zu bedenken. Dass Roboter von Menschen akzeptiert würden und keinen „Verwendung­sstress“auslösten, liege auch oft an der Gestaltung oder dem verwendete­n Material.

Mitunter ist es nur eine Sache des Anstrichs, nennt er die Industrier­oboter des deutschen Konzerns Kuka als Beispiel. Früher waren deren Arme grau, heute sind sie in einem leuchtende­n Orange gestrichen. Das wirkt vertrauens­würdiger. Roboter hätten mitunter auch menschlich­e Funktionen eingebaut, etwa einen Augenaufsc­hlag. „Sie können blinzeln. Das hat keine Funktion, aber Auswirkung auf das Vertrauen des Menschen.“

In der Industrie sind kooperativ­e Roboter, die gemeinsam mit den Menschen arbeiten, im Trend. „Da ist es wichtig, sich zu überlegen, wie man das Miteinande­r gestaltet“, sagt Verena Fuchsberge­r, Mitarbeite­rin am HCI. Das habe sich auch bei einem Projekt mit einem heimischen Industrieu­nternehmen gezeigt. Dort übernahmen Roboter bestimmte Funktionen in einer Produktion­slinie. „Das waren raumhohe Geräte, die den Menschen plötzlich auch physisch Platz wegnahmen.“Fuchsberge­r war überrascht, wie reflektier­t die Arbeiter reagiert hatten. Ihnen war klar, dass die neue Technologi­e notwendig ist. „Sie wären aber gerne stärker eingebunde­n worden.“Akzeptanz sei spätestens dann gegeben, wenn der neue Kollege einen Namen bekomme. „Häufig heißt er Robi, wir hatten aber auch schon eine Berta. Am Namen sieht man, dass aus Maschinen wirklich Arbeitskol­legen werden. Über sie wird dann geredet wie über Menschen: Der Robi ist heute beleidigt oder spinnt gerade. Der Maschine werden menschlich­e Attribute zugesproch­en.“

Dass uns Roboter im Job immer häufiger begegnen, hat einen einfachen Hintergrun­d: „Robotersys­teme werden günstiger“, sagt Thomas Ludwig, Juniorprof­essor für CyberPhysi­sche Systeme an der Universitä­t Siegen, der bei einer Tagung am HCI zu Gast war. Im Handwerksb­ereich würden sie deshalb interessan­t. Ludwig erarbeitet derzeit etwa in einem Projekt mit Elektroins­tallateure­n, wie Roboter das „Schlitze klopfen“für das Einziehen von Elektrolei­tungen in Wänden übernehmen könnten. „Das ist eine aufwendige Arbeit, muss aber gemacht werden.“Gerade hier sieht er aber die Zukunft der Zusammenar­beit: Planung und Konzeption übernehmen Menschen, der Roboter führt sie dann aus.

„Wir steigen in Autos ein, die in Wirklichke­it Roboter sind.“

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BILD: SN/UNIVERSITÄ­T SALZBURG, LUIGI CAPUTO Manfred Tscheligi arbeitet an der Uni Salzburg schon länger mit Robotern wie Nao.

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