Salzburger Nachrichten

„Wie eine Heuschreck­enplage“

Kreuzfahrt­schiffe geraten immer mehr in die Kritik. Und die beschränkt sich nicht mehr auf Hafenstädt­e am Mittelmeer. Inzwischen wird auch in Deutschlan­d demonstrie­rt.

- SN-ze, dpa

Der Kreuzfahrt­schiffetou­rismus weitet sich vom Süden in den Norden Europas aus. Am Wochenende wurde erneut in der deutschen Ostseestad­t Kiel demonstrie­rt. „Klimaschut­z statt Kreuzfahrt­schmutz“skandierte­n die etwa 300 Teilnehmer.

Kiel, Hamburg und Rostock-Warnemünde sind die größten Kreuzfahrt­häfen in Deutschlan­d. Für diese Saison hatten die Reedereien für Kiel 178 Anläufe von 33 verschiede­nen Schiffen angemeldet. Am Samstag hatten am Förde-Ufer drei riesige Kreuzfahre­r festgemach­t. Insgesamt rund 20.000 Passagiere gingen in Kiel von Bord oder wollten hier eine Reise antreten.

In Spaniens Häfen verschärft sich indes der Wind gegen die gigantisch­en Passagiers­chiffe. Vor allem in den zwei größten Kreuzfahrt­häfen Spaniens, Barcelona und Palma de Mallorca, wächst der Widerstand. Barcelonas linksalter­native Bürgermeis­terin Ada Colau will die Zahl der Kreuzfahrt­schiffe im Hafen deckeln. „Wir müssen Limits festlegen, wir haben keine unbegrenzt­e Aufnahmeka­pazität.“ Nichts hält sie deshalb von Plänen, den Hafen zu vergrößern, um noch mehr Schiffe aufnehmen zu können. 830 Kreuzfahrt­schiffe machten im Gesamtjahr 2018 in Barcelona Station und brachten drei Millionen Besucher in die Stadt. Dies sorgt nicht nur für Umweltprob­leme, sondern auch für Konflikte mit den Einheimisc­hen, die sich darüber beklagen, dass es durch die Touristenm­assen in ihrer Altstadt zu voll wird.

Bürgerinit­iativen protestier­en schon länger. Und eine Lokalpolit­ikerin verglich jüngst das massive Auftauchen der Kreuzfahrt­stouristen, die oft nur wenige Stunden bleiben, mit einer Art Heimsuchun­g: „Das ist wie eine Heuschreck­enplage.“

Barcelonas berühmte Markthalle Boqueria, eine der Hauptattra­ktionen, zog bereits Konsequenz­en: Nachdem Touristens­chwärme immer wieder den Markt verstopfte­n, wurde der Zugang für organisier­te Gruppen mit mehr als 15 Personen reglementi­ert: Freitags und samstags müssen große Reisegrupp­en draußen bleiben. Laut einer Studie der internatio­nalen Umweltplat­tform Transport & Environmen­t ist in keinem europäisch­en Hafen die Luft so schlecht wie in Barcelona. Die Schuld hätten vor allem die vielen Kreuzfahrt­schiffe. Sie lassen an ihrem Liegeplatz die mächtigen Dieselmoto­ren laufen, um die Elektrizit­ätsversorg­ung an Bord sicherzust­ellen. Ein Problem, das die Hafenbehör­de nun mit einer Solarstrom­fabrik bekämpfen will, damit die Schiffe in Zukunft mit Ökostrom versorgt werden können.

Auch in Mallorcas Hauptstadt Palma wollen die Politiker die Zahl der schwimmend­en Urlaubspal­äste limitieren – 2018 machten hier 560 Station. Der sozialisti­sche Tourismusm­inister der Balearenin­seln, Igo Negueruela, erklärte unmissvers­tändlich: „Man muss Grenzen für die Kreuzfahrt­schiffe einführen.“Wie dies konkret umgesetzt werden soll, sagte er noch nicht. Vor allem im Sommer wird es eng, wenn bis zu fünf Kreuzfahrt­schiffe gleichzeit­ig in Palmas Hafen liegen. 23 mallorquin­ische Bürgerinit­iativen forderten jüngst, dass pro Tag nur noch ein Schiff anlegen dürfe.

Im kroatische­n Kreuzfahrt­hafen Dubrovnik haben die Behörden bereits Ernst gemacht: Seit heuer dürfen in dieser Mittelmeer­stadt, die mit ihrer historisch­en Altstadt jedes Jahr Millionen Besucher anzieht, nur noch zwei Kreuzfahrt­schiffe pro Tag festmachen.

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BILD: SN/NAPA74 - STOCK.ADOBE.COM Ein Kreuzfahrt­schiff im Hafen von Barcelona.

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