Brachialer Vettel am Tiefpunkt
Der Ferrari-Pilot schoss in Silverstone Max Verstappen und sich selbst von der Strecke. Lewis Hamilton setzte seinen Triumphzug auch beim Heimrennen fort.
Sebastian Vettel versuchte mit verschränkten Armen und grimmigem Gesicht sein brachiales Risikomanöver zu erklären, im Hintergrund tönte die britische Nationalhymne für den triumphalen Rekordsieger Lewis Hamilton. Nach dem spektakulären Großen Preis von Großbritannien muss der deutsche Herausforderer im Ferrari die ohnehin geringen Titelhoffnungen fast schon begraben. „Es ist natürlich schon doof. Ich bin natürlich nicht zufrieden. Viel mehr als der vierte Platz wäre aber eh nicht möglich gewesen“, sagte er.
Auf Platz drei liegend raste der 32 Jahre alte Hesse am Sonntag in Silverstone dem niederländischen Red-Bull-Ass Max Verstappen ins Heck. Vettel musste an die Box, kehrte als Letzter auf die Strecke zurück, kassierte eine Zehn-Sekunden-Strafe und wurde 15. am Ende. Mit gesenktem Blick wollte Vettel am Tiefpunkt einer verkorksten Saison nur noch weg, lehnte Autogrammwünsche der Fans ab und verschwand im Motorhome der Scuderia. Der Traum vom ersten WM-Titel scheint in diesem Jahr so gut wie vorbei. Bei Verstappen hatte er sich aber umgehend entschuldigt: „Es geht auf meine Kappe.“
Hamilton setzte dafür seinen Triumphzug fort. Der fünfmalige Formel-1-Champion feierte im zehnten WM-Lauf in diesem Jahr den siebten Sieg. „Ich kann nicht sagen, wie stolz ich bin, hier zu sein. Man gewöhnt sich nie an sowas“, sagte Hamilton. Mit seinem Erfolg am Sonntag vor 141.000 Zuschauern krönte sich Hamilton zudem zum Rekordgewinner im Home of British Motorsport. Der fünffache Champion ist nun auch Silverstone-Rekordsieger. Öfter als sechs Mal hat an dem so prestigeträchtigen Formel-1Schauplatz, der dies für zumindest fünf weitere Jahre bleiben wird, niemand gewonnen.
Er war von Rang zwei gestartet, profitierte bei einer tadellosen Leistung mit der schnellsten Rennrunde aber auch von einer Safety-CarPhase. Zweiter wurde Valtteri Bottas im zweiten Mercedes vor Vettels Teamkollegen Charles Leclerc, der damit auch die interne Wachablösung bei der Scuderia gegen den glücklosen und fehlerbehafteten Vettel forciert haben dürfte. „Das war wahrscheinlich das Rennen, das mir in meiner bisherigen Formel-1-Karriere am meisten Spaß gemacht hat“, betonte Leclerc.
Im Klassement führt Hamilton mit 223 Punkten vor Bottas (184) und Verstappen (136). Vettel hat 100 Punkte Rückstand auf Rang eins.
Die entscheidende Aktion setzte Hamilton, als nach einem Dreher von Antonio Giovinazzi das Safety Car auf die Strecke musste. Der Brite kam schnell herein zum Reifenwechsel, Bottas hatte das vorher erledigt.
Auch Vettel ließ neue Gummis aufziehen, ebenso ein weiteres Mal Verstappen – das Trio sollte das Rennen ohne weiteren Stopp beenden können. Auch Leclerc wurde von Ferrari noch einmal an die Box beordert, und kam als Sechster zurück. „Wie zur Hölle haben wir den Platz verloren“, fragte der Monegasse. Vettel lag nun plötzlich auf Rang-zwei-Kurs – mit Verstappen im Großformat in seinen Rückspiegeln und einem Leclerc mit Wut im Bauch. Als Verstappen dann an Vettel vorbeizog, wollte der vierfache Weltmeister kontern. Es endete mit einem wenig weltmeisterlichen Auffahrunfall und dem Tiefpunkt einer bereits bitteren Saison für Vettel – und das nur zwei Wochen vor dem Heimrennen auf dem Hockenheimring.